Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 93. Vertragsstrafe. 393 
straffällig, auch wenn er an der Erfüllung seiner Unterlassungspflicht durch 
einen von ihm nicht zu vertretenden Umstand gehindert, ja sogar wenn er zur 
Vornahme der Handlung, die er zu unterlassen versprach, durch Drohung oder 
Gewalt gezwungen worden ist; dafür ist aber die Beweislast zu seinen Gunsten 
verschoben: nicht er braucht zu beweisen, daß die Handlung pflichtgemäß unter- 
lassen, sondern der Gläubiger muß beweisen, daß die Handlung pflichtwidrig 
vorgenommen ist (339, 345). 
e) Die Höhe der Strafe hängt zunächst von der freien Vereinbarung der 
Parteien ab. Doch ist das Gericht befugt, eine unverhältnismäßig hohe Strafe, 
solange sie noch nicht entrichtet ist, auf einen angemessenen Betrag herabzu- 
setzen (343). Anders als bei den Beschränkungen des Wuchers werden besondre 
subjektive Voraussetzungen weder in Ansehung des Gläubigers noch in An- 
sehung des Schuldners gemacht; das richterliche Ermäßigungsrecht gilt also 
selbst dann, wenn der Schuldner bei Festsetzung der Strafe wußte, was er 
tat, und sich weder auf seine Unerfahrenheit oder seinen Leichtsinn noch auf 
seine Notlage berufen kann. Doch hat das Gericht zwar das „Recht“, die 
Strafe zu ermäßigen, ist aber nicht dazu verpflichtet; es wird also oft aus freien 
Stücken die Ermäßigung ablehnen, wenn der Schuldner sie nicht subjektiv zu 
rechtfertigen vermag. — Daneben sind auch die Wuchergesetze auf übermäßige 
Vertragsstrafen anwendbar; das ist namentlich um deswillen wichtig, weil eine 
Vertragsstrafe, wenn sie als wucherisch erscheint, nicht herabgesetzt wird, sondern 
in ihrem ganzen Umfang nichtig ist und, wenn der Schuldner sie bereits ge- 
zahlt hat, zurückgefordert werden kann. 
1)Die Strafe ist kein Schadensersatz, verfolgt aber ein ähnliches Ziel 
wie dieser; denn sie will dem Gläubiger Genugtuung gewähren, und die Ge- 
nugtuung schließt den Schadensersatz in sich. Daraus folgt, daß der Gläubiger 
nicht zugleich Strafe und Schadensersatz fordern darf. Vielmehr muß er, 
wenn die Strafe in einer Geldzahlung besteht, sich auf seine Schadensersatz- 
forderung den vollen Betrag der Strafe anrechnen lassen, so daß ihm kraft seines 
Schadensersatzanspruchs nur der Betrag des Schadens erstattet wird, der erweis- 
lich über den Betrag der Strafe hinausgeht (340 II, 341 II). Besteht die 
Strafe in einer andern Leistung als einer Geldzahlung, so darf der Gläu- 
biger, der auf der Strafe besteht, einen Schadensersatzanspruch überhaupt nicht 
geltend machen (342). 
8) Möglich ist es, daß eine Vertragsstrafe auch in andrer Art versprochen wird als 
bisher geschildert. So kann der Schuldner sich zur Hauptleistung und für den Fall, daß er 
diese nicht bewirkt, zu einer Strafe in der Art verpflichten, daß nicht der Gläubiger, sondern 
er selber zwischen der Hauptleistung und der Entrichtung der Strafe zu wählen hat; die 
Strafe wirkt dann zugleich als ein Reugeld, mit dem der Schuldner sich von seiner 
Hauptverpflichtung löst. Ja der Schuldner braucht sich zu der Hauptleistung überhaupt nicht 
zu verpflichten, sondern kann für den Fall, daß er die Hauptleistung nicht freiwillig bewirkt, 
als einzige Pflicht die Strafe übernehmen. Das richterliche Ermäßigungsrecht soll aber auch 
auf derartige besondre Arten der Vertragsstrafe anwendbar sein (343 II). — Wie sind die 
beiden oben bei a genannten Beispiele zu entscheiden, wenn der Schuldner sich zu der Haupt-
	        
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