§ 99. Unmögliche Leistungen. Vertretung durch den Schuldner. Gattungssachen. 403
kann wegen des Ausbleibens der Leistung auch keinen Schadensersatz fordern.
Darauf, ob die Unmöglichkeit beim Vertragsschluß auch dem Schuldner unbe-
kannt oder bekannt, unerkennbar oder erkennbar, kommt nichts an.
Beispiel. In dem oben S. 401 besprochenen Fall des von A. an C. am 1. Mai
verkauften, aber am 28. April gestohlenen und am 30. April an E. versteigerten Bildes
kommt es nicht darauf an, ob A. den Diebstahl des Bildes und dessen Üübereignung an E.
hat verhindern können, und auch nicht darauf, ob er am 1. Mai den Diebstahl und die Ver-
steigerung gekannt hat oder hat kennen müssen, sondern allein darauf, ob Diebstahl und
Versteigerung am 1. Mai dem C. bekannt war oder bekannt sein mußte. War dies der
Fall, so ist der Verkauf ebenso nichtig, wie wenn das Bild am 30. April verbrannt gewesen
wäre. War es nicht der Fall, so ist der Verkauf gültig, und C. kann Lieferung des Bildes
oder Schadensersatz wegen Nichtlieferung in Höhe von 1000 Mk. verlangen.
II. Wie zu I1, 1 unter b und c gezeigt, kommt es in allen Fällen, in
denen die geschuldete Leistung nachträglich objektiv oder subjektiv unmöglich
wird, darauf an, ob der Schuldner die Umstände, die diese Unmöglichkeit ver-
ursacht haben, zu „vertreten“ hat.
1. Als allgemeine Regel ist es anzusehn, daß ein Schuldner alle Umstände
vertreten muß, die er schuldhaft verursacht oder schuldhaft abzuwenden ver-
säumt hat, während er von der Vertretung frei ist, wenn ihm solch ein Ver-
schulden nicht zur Last fällt (276 1 Satz 1). Dem eignen Verschulden des
Schuldners steht das seines gesetzlichen Vertreters oder seiner Erfüllungsgehülfen
gleich (278; s. oben S. 307).
Beispiel. A. studiert gerade in einem teuern Buch, das er sich von B. geborgt hat; da
erscheint C. zum Besuch bei A., macht sich an A.s# Schreibtisch zu schaffen und bringt es
dank der ihm eignen Ungeschicklichkeit blitzschnell sertig, den Inhalt der Tintenflasche A.8
über dem Buch zu leeren; die Folge ist, daß das Buch für immer total verdorben ist; von
C. ist Schadensersatz nicht zu erlangen, da er gänzlich unvermögend ist. Hier kommt es
nicht darauf an, ob B. das Buch dem A. aus freien Stücken angeboten oder ihm erst auf
dringliches Bitten geliehen hat. Ebenso ist gleichgültig, ob B. unter der Beschädigung des
Buchs empfindlicher leidet als A., etwa weil er nicht die Mittel hat, das Buch sich neu an-
zuschaffen, während für A. die Neuanschaffung ein leichtes wäre. Vielmehr ist entscheidend
einzig und allein, ob man in dem Verhalten A.s nach Lage des Falls ein Verschulden
gegenüber B. finden kann. Wird die Frage bejaht, ist A. ersatzpflichtig; wird sie verneint,
ist er ersatzfrei.
2. Die Regel zu 1 wird aber von zahlreichen Ausnahmen durchbrochen teils
zugunsten des Gläubigers, teils zugunsten des Schuldners. Doch ist nur
eine dieser Ausnahmen von so allgemeiner Bedeutung, daß sie schon an dieser
Stelle erwähnt werden muß. Sie geht dahin, daß, wenn der geschuldete
Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt war, der Schuldner so lange, als
die Leistung aus der Gattung objektiv möglich ist, sein subjektives Unvermögen
zur Leistung auch dann vertreten muß, wenn weder ihm noch seinen Leuten
ein Verschulden zur Last fällt (279).
Beispiel. I. A. hat in seiner Fahrradfabrik „Pfeil“ nach einem von ihm erfundenen
Modell Nr. 28 zunächst ein Proberad anfertigen lassen und dann dies Proberad selbst,
sowie 29 Stück andre Räder desselben Modells an B., lieferbar im März 09, verkauft; B.
veräußert die 30 Räder an C. mit der nämlichen Lieferzeit weiter; inzwischen ist im Februar
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