420 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
a) Jener Beweis ist erforderlich. Demnach reicht es nicht aus, wenn ein
Gläubiger, der die von ihm ausgestellte Quittung nicht gelten lassen will, den
Beweis erbringt, daß die Erfüllung gerade zu dem in der Quittung angege-
benen Zeitpunkt oder in der ebenda angeführten Art nicht geschehn sei, sondern
der Gläubiger muß beweisen, daß eine Erfüllung überhaupt nicht — also auch
nicht zu einer andern Zeit und auch nicht in einer andern Art als die Quittung
besagt — stattgefunden habe. 11
6) Jener Beweis ist genügend. Demnach braucht ein Gläubiger, der die
von ihm ausgestellte Quittung nicht gelten lassen will und den Beweis erbracht
hat, daß eine Erfüllung tatsächlich nicht erfolgt ist, nicht außerdem noch dar-
zutun, wie er zu der Ausstellung der unrichtigen Quittung gekommen ist. Ins-
besondre braucht er nicht zu beweisen, daß er sich bei Ausstellung der Quittung
in einem Irrtum befunden oder die Quittung nur mit dem Vorbehalt späterer
Zahlung ausgestellt habe. 1
b) Ist eine Quittung durch Gegenbeweis um ihre Beweiskraft gebracht,
so ist sie deshalb noch nicht notwendig aller Rechtswirkung beraubt. Vielmehr
bleibt es dem Schuldner unbenommen darzutun, daß der Gläubiger die Quittung
im Bewußtsein ihrer Unrichtigkeit ausgestellt hat, um die Schuld zu erlassen;
und ist dies der Fall, so ist die Quittung zwar nicht als solche, aber doch als
Erlaß vollgültig.
Beispiele. I. 1. A., der Erbe B.s, hat in dessen Nachlaß einen Schuldschein C.S über 1000 Mk.
vorgefunden und klagt nun gegen C. auf Zahlung; C. legt aber eine Quittung B.s vor, die
folgendermaßen lautet: „Heute habe ich von Herrn C. die mir geschuldeten 1000 Mk. bar
erhalten, worüber ich hiermit dankend quittiere. M. den 1. Mai 02. B.“ Damit ist der
Angriff A.s gegen C. fürs erste abgeschlagen. 2. Nun legt aber A. einen Brief C.s an B.
vom 3. Mai 02 vor, in dem C. schreibt, er habe die Quittung bekommen und hoffe die Schuld-
summe in wenigen Tagen abzahlen zu können. Hier hat A. die Unrichtigkeit der Quittung
B.s dargetan. Trotzdem bleibt die Rechtslage dieselbe wie zu 1; denn der Brief beweist zwar,
daß C. bis zum 3. Mai 02, nicht aber, daß er auch später nicht bezahlt habe. Somit bleibt
für A., wenn er auf dem Anspruch gegen C. besteht, nichts andres übrig, als durch Eides-
zuschiebung oder in andrer Art den Beweis zu führen, daß eine Bezahlung der Schuld C.#
auch nach dem 3. Mai 02 nicht erfolgt sei. II. D. klagt gegen E. auf Zahlung von
100 Mk., die E. ihm als Rest einer größern Schuld von ursprünglich 1000 Mk. noch gegen-
wärtig schulde; E. wendet aber ein, daß er laut Quittung die ganze Schuld von 1000 Mk.
bezahlt habe und legt die Quittung vor; darauf entgegnet D., daß E. in Wahrheit nur
900 Mk. bezahlt habe und jene Quittung falsch sei; E. gibt dies zu, behauptet aber jetzt,
D. habe, als er die Zahlung der 900 Mk. empfangen, ihm den Rest von 100 Mk. erlassen
und in diesem Sinn absichtlich eine Quittung über die vollen 1000 Mk. ausgestellt; D. be-
streitet das, vermag aber, da seit dem Vorgang zehn Jahre verstrichen sind, nicht mehr an-
zugeben, aus welchem Grunde er statt über 900 über 1000 Mk. quittiert habe. Hier hat
nicht D., sondern E. diesen zweifelhaften Punkt aufzuklären. Das will besagen: er muß
durch Eideszuschiebung oder in andrer Art beweisen, daß D. auf die Restschuld der 100 Mk.
Verzicht geleistet habe. Erst wenn ihm dieser Beweis gelingt, ist er von der Restschuld
befreit.
11) Planck zu § 368. Abw. Ortmann Anm. 5 zu § 368. Vgl. RG. 49 S. 9.
12) Abw. Collatz a. a. O. S. 127, Endemann 1 S. 798.