Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 105. Verzug des Schuldners. 427 
ist „Zug um Zug gegen Lieferung der Ware“, „nachdem die Ware empfangen und gut be- 
funden“, „14 Tage nach Lieferung der Ware“, „zu Anfang des Winters“. 
3. Trotz der Mahnung oder des Eintritts der kalendermäßig bestimmten 
Erfüllungszeit kommt der Schuldner dann nicht in Verzug, wenn die ihm ob- 
liegende Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten 
hat (285). Hiernach läßt sich, da der Schuldner grundsätzlich nur zu ver- 
treten hat, was er verschuldet, der Verzug als „schuldhafte“ Verzögerung der 
Leistung bezeichnen. Doch ist dabei folgendes zu beachten. 
a) Dem eignen Verschulden des Schuldners ist nach den früher ent- 
wickelten allgemeinen Regeln ein Verschulden seiner Gehülfen und Stellver- 
treter gleichgestellt (278). 
b) In gewissem Umfang muß der Schuldner auch solche Umstände ver- 
treten, die rein zufälliger Art sind. Es kommen hier die Grundsätze analog 
zur Anwendung, die für den Fall gelten, daß die dem Schuldner obliegende 
Leistung unmöglich ist oder unmöglich wird; insbesondre muß bei Ver- 
pflichtungen, deren Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt ist, der 
Schuldner sein Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung auch dann vertreten, 
wenn ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt, es sei denn, daß die recht- 
zeitige Leistung aus der betreffenden Gattung objektiv unmöglich ist (s. 279).3 
c) Der Schuldner muß die Umstände nachweisen, aus denen folgt, daß 
er die Verspätung seiner Leistung nicht zu vertreten braucht (s. 282). 
Beispiel. Der Maler A. hat sich verpflichtet, dem B. eine bereits in Arbeit befind- 
liche Landschaft bis zum 15. März fertig zu liefern und hat dem C. eine Zahlung von 
10000 Mk. auf ebendiesen 15. zugesagt; am 10. März erkrankt er plötzlich und ist 14 Tage 
lang völlig unfähig zu irgendwelchen Arbeiten oder Geschäften; die Folge ist, daß er ohne 
das mindeste Verschulden seinerseits mit dem Bilde nicht fertig wird und auch die Geld- 
zahlung versäumt. Hier ist A. wegen des Geldes, nicht aber auch wegen des Bildes in Ver- 
zug geraten; denn das Bild war individuell, das Geld war nur der Gattung nach bestimmt. 
Dafür, daß der Schuldner Dinge, die nur der Gattung nach bestimmt sind, rechtzeitig 
zur Hand hat, muß er ohne Rücksicht darauf, ob ihm ein Verschulden zur Last fällt oder 
nicht, auch dann einstehn, wenn er diese Dinge nicht unmittelbar zu leisten braucht, sondern 
sie bloß als Hülfsmittel für eine andre an und für sich individuell bestimmte Leistung 
nötig hat.“ — Beispiel. A. hat eine individuell bestimmte Sache von B. gekauft und an C., 
noch bevor A. sie ihm geliefert hat, weiter verkauft; nun kann er sie an C. nicht rechtzeitig 
liefern, weil B. sie nur gegen Barzahlung herausgeben will und A. infolge des unerwarteten 
Bankrotts seines Bankiers außerstande ist, den Kaufpreis aufzubringen. Hier gerät A. 
gegenüber C. in Verzug, obschon seine Leistung an C. individuell bestimmt war und man 
ihm nach Lage des Falls ein Verschulden nicht zum Vorwurf machen kann; denn die Ur- 
sache für sein Unvermögen besteht ja lediglich in Mangel an Geld. 
4. Daraus, daß nur eine vom Schuldner zu vertretende Verzögerung 
der Leistung als Verzug gilt, folgt, daß ein Verzug des Schuldners auch dann 
ausgeschlossen ist, wenn der Gläubiger eine ihm Zug um Zug obliegende 
Gegenleistung zu bewirken unterläßt. Denn so lange ist ja der Schuldner 
seine eigne Leistung zu verweigern geradezu berechtigt. Und zwar braucht die 
3) Endemann 1 8 137 11. 4) Planck Anm. 2 zu § 279.
	        
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