428 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
Unterlassung auf seiten des Gläubigers nicht etwa gleichfalls ein eigentlicher
Verzug zu sein, sondern auch eine unverschuldete Unterlassung des Gläubigers
befreit den Schuldner vom Vorwurf des Verzuges.
Muß der Gläubiger, um den Schuldner in Verzug zu setzen, ihm die Gegenleistung
anbieten? Die Frage ist zu bejahen, wenn der Gläubiger die Gegenleistung bringen, zu
verneinen, wenn der Schuldner die Gegenleistung holen muß.
II. 1. Dadurch, daß der Schuldner in Verzug gerät, wird die Forderung
des Gläubigers verschärft und um einen Schadensersatzanspruch erweitert.
a) Die Verschärfung der Forderung besteht in folgendem:
a) Solange der Schuldner in Verzug ist, kann der Gläubiger ihn, auch
wenn er bisher bloß für grobes Verschulden oder sogar nur für Vorsatz ein-
stand, für jedes noch so geringe Verschulden haftbar machen (287 Satz 1). Ja,
wenn die Leistung während des Verzuges unmöglich wird, haftet der Schuldner
sogar für Zufall und wird nur dann frei, wenn er nachweist, daß der Schaden
auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten sein würde (287 Satz 2); man drückt
dies auch durch die Formel aus: der in Verzug befindliche Schuldner trägt
die „Gefahr“ der geschuldeten Leistung.
Beispiele. I. A. ist mit der Rückgabe eines Pfandes, das der mit ihm im selben
Hause wohnende B. ihm gegeben hat und nunmehr einlösen will, in Verzug gekommen; da
entsteht durch Zufall Feuer in seiner Wohnung, und das Pfand verbrennt, ohne daß A. oder
seine Leute es zu retten vermögen. Hier muß A. dem B. den Wert des Pfandes ersetzen.
II. Derselbe Fall; nur hat der Brand auch die Wohnung B.s mit ergriffen. Hier ist A.
haftfrei, wenn er beweisen kann, daß das Pfand auch dann verbrannt wäre, wenn er es
dem B. rechtzeitig zurückgegeben hätte.
8) Geht die Forderung auf eine Geldzahlung, so kann der Gläubiger von
dem Schuldner, solange dieser in Verzug ist, 4% „Verzugszinsen“ fordern,
wenn seine Forderung vorher geringere Zinsen trug oder unverzinslich war.
Dagegen laufen bei Forderungen, die schon vorher 4% Zinsen oder mehr
brachten, die bisherigen Zinsen einfach fort. War die Geldschuld, mit der der
Schuldner in Verzug kam, eine Zinsschuld, so sind hiervon Verzugszinsen nicht
zu entrichten (288 I, 289 Satz 1).
Muß der Schuldner dafür Ersatz leisten, daß ein Gegenstand während der Dauer des
Verzuges verloren geht oder zerstört oder verschlechtert wird, so muß er auch von der Er-
satzsumme Verzugszinsen zahlen. Diese Zinsen beginnen mit dem Tage zu laufen, der der
Berechnung des von dem Schuldner zu erstattenden Werts zugrunde gelegt wird (290).
Meist wird dies der Tag sein, an dem der Umstand eintrat, der den Schuldner zum Ersatz
verpflichtete.
b) Der Schadensersatzanspruch, um den sich die Forderung des Gläubigers
erweitert, umfaßt den gesamten Schaden, den der Gläubiger dadurch erleidet,
daß der Schuldner seine Verbindlichkeit nicht rechtzeitig erfüllt (286 I:
Schadensersatz wegen Verspätung). Auch bei Geldforderungen greift
dieser Anspruch insoweit Platz, als der dem Gläubiger durch den schuld-
nerischen Verzug erwachsene Schaden die Zinsvergütung, die der Schuldner
nach der Regel zu à## ohnehin gewähren muß, nachweislich übersteigt (288 II);
ja sogar bei Zinsforderungen, für die, wie wir sahn, Verzugszinsen nicht