Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 106. Annahmeverzug. Gefahr bei Gattungssachen. 433 
Geldes an B. befreit, sondern es wird angenommen, er habe das Geld an B. bar bezahlt; 
B. muß also das Geld dem A. nach Ablauf eines Jahrs erstatten. 
o) Beruht die Forderung des in Annahmeverzug befindlichen Gläubigers 
auf einem gegenseitigen Vertrage und geht diese Forderung während des An- 
nahmeverzuges dadurch unter, daß die Leistung des Schuldners durch einen 
von keiner Partei zu vertretenden Umstand unmöglich wird, so hat dies ab- 
weichend von den allgemeinen für gegenseitige Verträge geltenden Regeln 
(oben S. 405) nicht auch den Untergang der Gegenforderung des Schuldners 
zur Folge: vielmehr verliert der Gläubiger nur seine eigne Forderung, während 
er Schuldner der Gegenleistung bleibt (s. 324 II). Man gebraucht hierfür 
eine ähnliche Formel wie die zu 9 genannte: bei gegenseitigen Verträgen geht 
im Fall des Annahmeverzuges einer Partei die Gefahr auf die säumige 
Partei über. 
Beispiele. I. Man setze in dem zu §9 besprochenen Fall an die Stelle der Darlehns- 
zusage den Kauf einer individuell bestimmten Sache, die B. als Käuser am 1. April bei A. 
abholen soll. Hier wird, wenn die Sache in der Nacht vom 1. auf den 2. April bei A. ab- 
brennt, A. von der Pflicht zur Lieferung der Sache befreit, behält aber seinen Anspruch auf 
den Kaufpreis. Daß er die Sache dem B. angeboten hat, ist in diesem Fall nicht nötig. 
II. Derselbe Fall; nur handelt es sich um eine Sache, die bloß der Gattung nach bestimmt 
war. Hier ist, falls A. am 1. April vormittags eine bestimmte zur Gattung gehörige Sache 
für B. ausgeschieden hatte und diese Sache in der Nacht darauf verbrennt, dieselbe Ent- 
scheidung wie zu 1 gebeten. Ein Angebot der ausgeschiedenen Sache an A. ist in diesem 
Fall gleichfalls nicht erforderlich (vgl. 243 II mit 300 II). 2 
0) Von einer verzinslichen Geldschuld kann der Gläubiger, solange er in 
Annahmeverzug ist, keine Zinsen beanspruchen, weder rechtsgeschäftliche noch 
gesetzliche (301). 
e) Hat der Schuldner Nutzungen herauszugeben, so kann der Gläubiger 
für die Zeit seines Annahmeverzuges nur solche Nutzungen in Anspruch nehmen, 
die der Schuldner tatsächlich gezogen und nicht auch solche, die er schuldhaft 
zu ziehn versäumt hat (302). 
5) Betreibt der Schuldner wegen einer Gegenforderung die Zwangsvoll- 
streckung wider den Gläubiger, so hat dieser, solange er sich in Annahme- 
verzug befindet, wegen seiner eignen Forderung weder die Einrede des nicht 
erfüllten Vertrages noch ein Zurückbehaltungsrecht (322 III; 274 II; s. auch 
322 II, III). 
b) Der Schadensersatzanspruch des Schuldners gegen den in Annahmeverzug 
befindlichen Gläubiger ist eng begrenzt: er geht nur auf den Ersatz der Mehr- 
aufwendungen, die der Schuldner für das erfolglose Angebot sowie für die 
Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstandes hat machen 
müssen (304). 
2. Wie der Gläubiger durch den Erfüllungsverzug des Schuldners unter 
Umständen das Recht gewinnt, eine nachträgliche Leistung des Schuldners als 
2) Landsberg S. 349. 
TCosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. I. 28
	        
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