Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 106. Abnahmeverzug. Selbsthülfeverkauf. Hinterlegung. 435 
?) Die Kosten des Selbsthülfeverkaufs fallen dem Gläubiger zur Last 
(l. 386). 
III. Der Annahmeverzug hört auf, wenn der Gläubiger den Schuldner nach- 
träglich zur Leistung auffordert und, soweit er bei der Leistung mitzuwirken 
oder eine Gegenleistung zu gewähren hat, auch seine eignen Obliegenheiten 
erfüllt. Ebenso hört der Verzug auf, wenn die Forderung des Gläubigers 
erlischt. 
IV. Nicht selten kommt eine und dieselbe Person zugleich als Schuldner 
und als Gläubiger in Verzug, namentlich bei gegenseitigen Verträgen. Dann 
wird sie auch von den doppelten Verzugsfolgen getroffen. 
b) Nichteinhaltung der Erfüllungszeit abgesehn vom 
Verzuge. 
8 107. 
In manchen Fällen hat das Ausbleiben der rechtzeitigen Erfüllung von 
seiten des Schuldners besondre Rechtswirkungen auch dann, wenn weder 
ein Erfüllungsverzug des Schuldners noch ein Annahmeverzug des Gläubigers 
vorliegt, also insbesondre dann, wenn der Schuldner durch Umstände, die er 
nicht zu vertreten brauchte, an der rechtzeitigen Erfüllung behindert war. Es 
handelt sich hier demnach um Rechtswirkungen, die nicht an einen „Ver- 
zug" des Schuldners oder Gläubigers, sondern an die Nichteinhaltung der Er- 
füllungszeit als solche geknüpft sind. 
I. Erster Fall: der Gläubiger hat seine Forderung gegen den Schuldner 
eingeklagt oder in andrer Art rechtshängig gemacht. Hier treten mit dem 
Beginn der Rechtshängigkeit folgende Rechtswirkungen ein, mag der 
Schuldner durch die Rechtshängigkeit in Erfüllungsverzug geraten sein oder nicht. 
1. Geht die Forderung auf eine fällige Geldzahlung, so muß der Schuldner 
fortab in derselben Art „Prozeßzinsen“ zahlen, wie er, wenn er in Verzug 
wäre, „Verzugszinsen“ zahlen müßte (291; s. oben S. 428). 
2. Geht die Forderung auf die Herausgabe eines bestimmten Gegen- 
standes, so muß der Schuldner fortab nicht bloß den Gegenstand selbst, sondern 
auch die Nutzungen, die er von dem Gegenstande seit Beginn der Rechts- 
hängigkeit gezogen hat oder nach den Regeln guter Wirtschaft hätte ziehn 
können, herausgeben oder ihren Wert vergüten (292 II, 987). Wenn der 
Gegenstand nach Beginn der Rechtshängigkeit infolge seines Verschuldens ver- 
schlechtert wird, untergeht oder aus einem andern Grunde nicht herausgegeben 
werden kann, ist der Schuldner schadensersatzpflichtig (292 1, 989). Hat der 
Schuldner nach Beginn der Rechtshängigkeit auf den Gegenstand Verwendungen 
gemacht, so kann er vom Gläubiger Erstattung nur wie ein auftragloser Ge- 
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