Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

5 107. Erfüllungsverspätung ohne Verzug. § 108. Positive Vertragsverletzung. 437 
C. 1000 Mk. zu zahlen; wo C. sich befindet und ob er überhaupt noch lebt, kann A. trotz 
aller Nachforschung nicht ermitteln. Hier braucht A., um das Geld hinterlegen zu können, 
den C. nicht in Annahmeverzug zu versetzen, wozu es erforderlich wäre, daß dem C. zunächst 
ein Vormund oder Pfleger bestellt würde, sondern er kann die Hinterlegung auch ohne An- 
nahmeverzug vornehmen. 
5. Verletzung der Leistungspflicht durch positive Zumiderhandlung. 
8 108. 
Alle Rechtsfolgen, die das Gesetz in dem Fall eintreten läßt, daß der 
Schuldner die Vornahme der geschuldeten Leistung zur Erfüllungszeit unter- 
läßt, treten selbstverständlich auch dann ein, wenn der Schuldner positive Hand- 
lungen vornimmt, die seiner Verbindlichkeit widerstreiten. Auf derartige Hand- 
lungen kommen demnach — sei es unmittelbar, sei es analog — zur Anwendung: 
I. wenn die tatsächliche Wirkung, die die Zuwiderhandlung als solche für 
den Gläubiger gehabt hat, nicht mehr beseitigt werden kann, die Regeln, die 
bei Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung gelten, 
II. andernfalls die Regeln, die bei Nichteinhaltung der Erfüllungszeit gelten. 
Beispiel. A. läßt durch B. ein Haus bauen, sucht aber die Tapeten bei C. selber aus; 
C. soll die Tapeten spätestens bis zum 15. auf den Bau liefern, liefert sie aber schon am 
5. ab, jedoch durch eine Verwechslung andre Tapeten als A. ausgesucht; am 14. entdeckt 
er den Irrtum und schickt noch am 15. die richtigen Tapeten; inzwischen hat aber B., der 
von der Verwechslung nichts wissen konnte, die falschen Tapeten bereits ankleben lassen. 
Hier ist B., obschon er das, was er zu liefern hatte, rechtzeitig geliefert hat, doch wegen 
der ersten falschen Lieferung schadensersatzpflichtig, d. h. er muß dem A. den Tapeziererlohn 
für das unnütze Ankleben der falschen Tapeten ersetzen. 
V. Aufhebung der Forderungen ohne Erfüllung. 
1. Leistung an Erfüllungsstatt. 
9109. 
Eine Forderung erlischt insoweit, als der Gläubiger eine Leistung an 
Erfüllungsstatt annimmt. 
I. 1. Eine Leistung an Erfüllungsstatt (datio in solutum) liegt vor, 
wenn der Schuldner oder ein Dritter für ihn an Stelle der geschuldeten 
Leistung eine Ersatzleistung vornimmt, ohne daß der Schuldner kraft einer sog. 
facultas alternativa (oben S. 3638) ein Recht auf diesen Austausch hätte. 
Der Gläubiger kann eine Leistung an Erfüllungsstatt nach Willkür zurück- 
weisen. Nimmt er sie aber an, so erlischt die Forderung ebenso wie durch Er- 
füllung (364 0. 
Beispiel. A., der dem B. auf den 1. Mai eine Zahlung von 80 Mk. schuldig ist, 
1) Staub, positive Vertragsverletzungen (04); H. Lehmann, Arch. f. ziv. Pr. 96 S. 60. 
1) Appel, Erlöschen und Wiederaufleben von Forderungen (Diss. C3).
	        
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