Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

444 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen. 
6. Gegen manche Forderungen ist die Aufrechnung ausgeschlossen, namentlich: 
a) gegen Forderungen aus einem vorsätzlich begangenen Delikt (393);7 
b) gegen andre Forderungen insoweit, als sie einer Pfändung nicht unter- 
worfen sind (s. 394 und EG. 81, bayr. AusfGes. 12).3 
7. Vertragsmäßig können die Erfordernisse der Aufrechnung sowohl ver- 
schärft wie gemindert werden; nur die Regel zu 6a ist zwingenden Rechts. 
II. 1. Die Aufrechnung geschieht durch ein einseitiges Rechtsgeschäft des 
Aktivgläubigers, nämlich durch dessen formlose an den Passivgläubiger gerichtete 
Erklärung, daß er die Aufrechnung vornehme (388 Satz 1). 
a) Die Erklärung ist unwiderruflich. 
b) Sie darf nicht durch Bedingungen oder Befristungen beschränkt werden 
(388 Satz 2). Doch ist damit die sogenannte Eventualaufrechnung0 
nicht ausgeschlossen, d. h. die Erklärung, der Gläubiger wolle seine Forderung 
nur für den Fall, daß eine vom Schuldner behauptete Gegenforderung zu 
Recht bestehe, gegen diese aufrechnen. Denn hier handelt es sich nicht um 
eine rechtsgeschäftliche Bedingung, sondern um eine gesetzliche Voraussetzung 
der Aufrechnung.11 Ist doch die Aufrechnung von Rechts wegen unwirksam, 
wenn die Passivforderung in Wahrheit nicht besteht!12 Sollte nun die Auf- 
rechnung dadurch ungültig werden, daß der Aktivgläubiger überflüssigerweise 
auf diese Voraussetzung ausdrücklich verweist? 
2. a) Solange die Aufrechnung von keinem Gläubiger befugtermaßen er- 
klärt ist, dauern die beiderseitigen Forderungen unverändert fort, mag auch 
ihre Aufrechnung unbedenklich zulässig sein. Jeder Gläubiger bleibt also in 
Höhe seiner Schuld dem Gegner nach wie vor zu pünktlicher Erfüllung ver- 
pflichtet. Demnach haben sie sich gegenseitig die vereinbarten oder gesetzlichen 
Zinsen weiter zu zahlen; demnach gerät jede Partei, wenn sie die Erfüllung 
verzögert, in Verzug und verfällt sogar in die für den Verzugsfall bedungene 
Vertragsstrafe; der Gegner kann von dem für den Verzugsfall festgesetzten 
Rücktrittsrecht Gebrauch machen usw. 
b) Dies Rechtsverhältnis ändert sich mit einem Schlage, sobald ein 
Gläubiger befugtermaßen die Erklärung der Aufrechnung abgibt: nunmehr 
sind beide Forderungen soweit, als sie sich decken, aufgehoben. Und zwar hat 
diese Aufhebung rückwirkende Kraft: sie wird bis auf den Zeitpunkt zurück- 
bezogen, von dem ab jener Gläubiger die Aufrechnung zu erklären befugt war 
(389). Die Folge ist, daß mit Wirkung von diesem Zeitpunkt ab alle zu a auf- 
geworfenen Fragen in entgegengesetztem Sinn zu entscheiden sind: der Zins- 
lauf der beiden Forderungen fällt mit dem Zeitpunkt fort, auf den die 
6) RG. 56 S. 236. 7) RG. 56 S. 321. 
8) RG. 55 S. 2. 9) RG. 56 S. 320. 
10) Stölzel, Schulung für ziv. Praxis 3. Aufl. (02); ders., Arch. f. ziv. Pr. 95 S. 1, 
96 S. 234; Martinius, ebenda 97 S. 104; ders., Arch. f. BR. 24 S. 277. 
11) Planck, Anm. 3 zu § 388; RG. 57 S. 101. 
12) Siber S. 92. Abw. Weismann S. 28. Vgl. Leonhard, Arch. f. BR. 21 S. 171.
	        
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