448 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
vom Vertrage willkürlich zurücktreten darf, aber im Fall des Rücktritts an
die Gegenpartei ein Reugeld zahlen muß.
Beispiele. I. A. verkauft sein Pferd an B.; die übergabe und Bezahlung des Pferdes soll
drei Tage später erfolgen; binnen 24 Stunden ist A. befugt, nach freiem Belieben von dem
Vertrage zurückzutreten. II. C. und D. schließen Anfang Februar miteinander einen Ge-
sellschaftsvertrag, der am 1. März in Kraft treten soll; bis zum 25. Februar können beide
Parteien nach freiem Belieben gegen Zahlung eines Reugeldes zurücktreten. III. E. und
J. vertauschen ihre Güter X und F durch gegenseitige Auflassung am 1. März; F. hat, um
den Minderwert seines Guts auszugleichen, an E. bis zum 1. Mai eine bare Zuzahlung
von 6000 Mk. zu leisten, widrigenfalls E. befugt ist, von dem Tauschvertrage zurückzutreten.
IV. G. verkauft sein Haus an H., behält sich aber ein Rücktrittsrecht für den Fall vor, daß
jemand binnen 14 Tagen ein besseres Gebot auf das Haus machen wird.
Nur ein andrer Ausdruck für die kassatorische Klausel ist es, wenn die Parteien ver-
einbaren, der Schuldner solle seiner Rechte aus dem Vertrage verlustig sein, wenn er seine
Verpflichtungen nicht erfülle (360), obschon man aus dem Wortlaut dieser Vereinbarung
folgern könnte, der Verlust der Rechte des Schuldners bei Nichterfüllung seiner Verpflich-
tungen trete von selber ein, so daß eine Rücktrittserklärung des Gläubigers entbehrlich wäre.
Behauptet die Gegenpartei, sie habe ihre Verbindlichkeit erfüllt und der Rücktritt der
andern Partei sei deshalb trotz der kassatorischen Klausel unstatthaft, so ist die Beweislast
die gleiche, wie wenn die Parteien um die Verwirkung einer Vertragsstrafe streiten: es muß
also die Gegenpartei die Erfüllung beweisen, es sei denn, daß ihre Verpflichtung auf ein
bloßes Unterlassen gerichtet ist (358). Dagegen wird in einer andern Beziehung die kassa-
torische Klausel und die Vertragsstrafe verschieden behandelt: während der Schuldner (außer
bei Unterlassungen) den Strafanspruch des Gläubigers abwendet, wenn er beweist, daß er
an der Nichterfüllung seiner Verpflichtungen keine Schuld habe, muß er den Rücpktritt des
Gläubigers auch bei schuldloser Nichterfüllung seiner Pflichten über sich ergehn lassen.
b) Der Regel nach wird in einem Vertrage, der einer Partei ein Rück-
trittsrecht einräumt, bestimmt, daß der Rücktritt nur innerhalb bestimmter
Frist zulässig sein soll. Ist eine solche Bestimmung nicht getroffen, so kann
die Gegenpartei die Lücke durch eine einseitige Erklärung ausfüllen: sie kann
nämlich dem Berechtigten eine angemessene Frist zur Abgabe seiner Rücktritts-
erklärung setzen; läßt der Berechtigte diese Frist verstreichen, so ist sein Rück-
trittsrecht erloschen (355).
Beispiele. I. In den beiden ersten Fällen zu a ist eine Rücktrittsfrist vertragsmäßig
bestimmt. II. In dem dritten Fall zu a fehlt eine solche Fristbestimmung. Demgemäß
braucht sich E., wenn F. die Zahlung der 6000 Mk. bis zum 1. Mai nicht leistet, mit
der Rücktrittserklärung nicht zu beeilen; F. kann ihm aber von sich aus zu jeder Zeit eine
Rücktrittsfrist von vielleicht einer Woche setzen. IV. In dem vierten Fall fehlt, wenn
man sich lediglich an den Wortlaut der Parteivereinbarung hält, eine vertragsmäßige Frist-
bestimmung gleichfalls. Doch wird man die Parteivereinbarung wohl frei dahin auslegen
müssen, daß nicht bloß die Abgabe eines besseren Gebots an G., sondern auch die Ab-
gabe der für diesen Fall dem G. freistehenden Rücktrittserklärung binnen 14 Tagen er-
folgen muß.
c) Ist ein Rücktrittsrecht einmal vertragsmäßig ausbedungen, so gilt es
auch dann, wenn der Berechtigte die ihm aus dem Vertrage erwachsenen Ver-
pflichtungen bereits tatsächlich erfüllt hat. Dasselbe ist der Fall, wenn auch
die Gegenpartei die ihr vertragsmäßig obliegenden Leistungen bereits voll-
zogen und der Berechtigte sie vorbehaltlos angenommen hat. Ja das Rück-