8 114. Abtretung von Forderungen. 457
B. geheimgehalten werden; den über die Forderung ausgestellten Schuldschein B.s hat A.
unter dem Vorgeben, er habe ihn verlegt, zurückbehalten; tags drauf bietet A. dem B. den
Erlaß der Forderung gegen sofortige Zahlung von 900 Mk. an, indem er ihm die Abtretung
der Forderung an C. sorglich verschweigt; B. geht auf dies Angebot ein und zahlt die
900 Mk., worauf A. vor seinen Augen den Schuldschein B.s zerreißt. Hier hat sich A. eines
Betruges und in Ansehung des Schuldscheins auch einer Sachbeschädigung schuldig gemacht;
denn die Forderung, die er einzog, und der Schuldschein, den er zerriß, gehörte am 2. Mai
nicht mehr ihm, sondern dem C. (s. 952); daß der Schuldner B. über die Abtretung der
Forderung nicht unterrichtet und der Schuldschein B.s bei A. zurückgeblieben war, ändert
an dieser Entscheidung nichts.
2. Dagegen macht das Verhältnis des Schuldners zu dem alten und dem
neuen Gläubiger eine allmähliche Entwicklung durch, in der drei Stadien zu
unterscheiden sind.
a) Erstes Stadium: der Schuldner hat noch keine sichere Kenntnis von
der Abtretung, sondern ist entweder ganz ohne Mitteilung oder die ihm ge-
machten Mitteilungen sind nicht völlig überzeugend (407 I, 410). Dann kann
er, wenn er will, die Abtretung zu seinen Gunsten ausnutzen, also eine Mahnung
oder Kündigung des alten Gläubigers als ungültig behandeln oder bei einer
Klage des alten Gläubigers die Abweisung wegen mangelnder Aktivlegitimation
des Klägers beantragen.? Dem entspricht es, daß er den neuen Gläubiger schon
jetzt als rechtmäßigen Inhaber der Forderung anerkennen darf: er kann ihm
kündigen und eine Kündigung von ihm annehmen; er kann ihm Erfüllung
anbieten und ihn in Annahmeverzug versetzen. Doch gilt dies alles eben nur,
wenn der Schuldner will. Ebensogut kann also der Schuldner die Abtretung
ganz unbeachtet lassen.“ Sonach darf er nach wie vor an den alten Gläubiger
erfüllen; ebenso sind sonstige Verhandlungen zwischen ihm und dem alten
Gläubiger in betreff der Forderung vollgültig, namentlich eine Kündigung, ein
Schulderlaß. Dem entspricht es, daß er die Gläubigerstellung des neuen
Gläubigers durchaus nicht anzuerkennen braucht; vielmehr kann er Mahnungen
oder Kündigungen des Gläubigers als nichtig zurückweisen, dies freilich mit
der Beschränkung, daß er die Zurückweisung unverzüglich erklären muß (410 I
Satz 2); bei einer Klage des neuen Gläubigers kann er die Abweisung wegen
mangelnder Aktivlegitimation beantragen usw. Schließlich kann der Schuldner
auch einen Mittelweg einschlagen, nämlich die Abtretung weder anerkennen
noch bestreiten, sondern als unsicher behandeln: die Folge ist alsdann, daß er
weder an den alten noch an den neuen Gläubiger erfüllt, sondern die Er-
füllung bis zur Klärung der Sachlage allen beiden Gläubigern verweigert
oder sich (soweit zulässig) durch Hinterlegung oder formellen Selbsthülfeverkauf
freimacht.
b) Zweites Stadium: der Schuldner hat sichere Kenntnis von der Ab-
tretung, aber noch keine formelle Mitteilung darüber bekommen. Dann hört
das Recht des Schuldners, die Abtretung einfach unbeachtet zu lassen auf (407 0).
5) RG. 52 S. 184. Abw. Endemann 1 § 152:22.
6) R. 61 S. 245.