478 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
Recht des Erfüllungsorts überhaupt nicht oder es ist entgegen der Zusatzregel zu b nur das
Recht eines der mehreren für die Forderungen in Betracht kommenden mehreren Erfüllungs-
orte maßgebend.
d) Ehe die Hauptregel zu a oder die Zusatzregel zu b auf eine Forderung angewendet
wird, muß natürlich festgestellt werden, wo der Erfüllungsort der Forderung liegt. Und
zwar ist für diese Frage, wie es scheint, das Recht des Orts maßgebend, an dem die Forderung
begründet wird. Beispiel: hätte in dem oben bei b genannten Fall A. in Mailand das
Automobil, auf dem er seine italienische Reise machte, an B. verkauft und dabei ausgemacht,
das Automobil solle dem B. vier Wochen später übergeben, der Kaufpreis aber nach drei
Monaten bezahlt werden, so ist der Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen nach
italienischem Recht zu bestimmen. Wie es zu halten ist, wenn das Recht dieses Erfüllungs-
orts seinerseits den Erfüllungsort in ein andres Rechtsgebiet verlegt, sei hier dahingestellt;
ähnliche Komplikationen werden sich ja auch dann ergeben, wenn man sich für irgendeine
andre Kollisionsnorm entscheidet als die von uns vertretene.
e) Möglich ist es, daß bei rechtsgeschäftlich begründeten Forderungen die Parteien sich
irgendeinem andern Recht unterwerfen als dem, das nach den Kollisionsnormen zu a—d zu-
stäindig ist. Eine derartige rechtsgeschäftliche Klausel ist im allgemeinen gültig, es sei denn,
daß es sich um zwingende Normen des zuständigen Rechts handelt. Doch hat die Klausel nicht
den Sinn, daß das gewillkürte Recht auf die Forderung als objektives Recht angewendet
werden müßte, sondern alle Regeln dieses Rechts haben nur den Wert rechtsgeschäftlicher
Bestimmungen: ein Kauf z. B., der eigentlich dem deutschen Recht unterliegt, aber kraft
Parteiwillkür dem französischen Recht unterstellt wird, ist so zu behandeln, als sei die ganze
französische Gesetzgebung von A bis Z in den Vertrag als Parteivereinbarung mit aufge-
nommen. Das wird besonders deutlich, wenn die Parteien als gewillkürtes Recht irgendein
bereits aufgehobenes Recht, etwa das preußische Landrecht, bestimmt hätten, was doch gleich-
falls zulässig ist.
t) Völlig abweichend von den Regeln zu a—e ist die Theorie des Reichsgerichts: ihr zu-
folge ist auf eine rechtsgeschäftlich begründete Forderung in erster Reihe nicht das Statut
des Erfüllungsorts, sondern das Statut anzuwenden, dem die Forderung nach der mut-
maßlichen Absicht der Parteien hat unterstellt werden sollen; und zwar soll das von den
Parteien gewillkürte Statut nicht etwa als Teil des Rechtsgeschäfts behandelt werden, sondern
soll als objektives Recht anwendbar sein.3 Hiergegen ist nachdrücklich Widerspruch einzulegen.
Denn jene Theorie läuft darauf heraus, die Parteien mit der obersten Gesetzgebungsgewalt
zu bekleiden: die ganze deutsche Gesetzgebung über rechtsgeschäftliche Obligationen mit Aus-
nahme der zwingenden Normen enthielte lediglich unverbindliche Vorschläge an die Parteien,
die erst dann als objektives Recht anzuerkennen wären, wenn die Parteien sich ihnen mut-
maßlich () haben unterwerfen wollen.
8) Noch in einem andern Punkt weicht das Reichsgericht in seiner neuesten Praxis
von den Regeln ab, die wir oben zu a—-e entwickelt haben: es will für den Fall, daß die
mutmaßliche Absicht der Parteien über das anzuwendende Recht nicht zu ermitteln ist, nicht
das Statut des Erfüllungsorts, sondern nach dem Vorgang von v. Bar und Zitelmann
das Personalstatut des Schuldners zur Anwendung bringen.“
II. Ubergangsvorschriften.
1. Auf eine Forderung kommt der Regel nach das Recht zur Anwendung, das zur
Zeit ihrer Begründung gegolten hat (EG. 170).5
2. Wird unter der Herrschaft des neuen Rechts ein Rechtsgeschäft vorgenommen, das
auf eine unter der Herrschaft des alten Rechts begründete Forderung Bezug hat, so kommt
3) RG. 4 S. 246; 54 S. 316; 55 S. 117; 58 S. 367; 68 S. 205.
4) RG. 61 S. 343; 62 S. 380; v. Bar, internat. Privatrecht (89) 2 S. 9; Zitel-
mann, internat. Privatrecht 1 S. 126; 2 S. 366, 384.
5) RG. 52 S. 265; 53 S. 200, 422; 56 S. 222; 57 S. 17, 378; 61 S. 138;
66 S. 409.