Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§l 123. Übergabe der Kaufsache. Verzug des Verkäufers. 493 
III. Gerät der Verkäufer mit der Erfüllung seiner Übergabepflicht in 
Verzug, so kommen die bei gegenseitigen Verträgen für den Fall des Erfüllungs- 
verzuges geltenden allgemeinen Regeln (s. oben S. 426, 429b) zur Anwendung. 
Da diese Regeln gerade beim Kauf besonders wichtig sind, ist hier nochmals 
genauer auf sie einzugehn. 
1. Als Übergabeverzug gilt es nicht bloß, wenn der Verkäufer die Über- 
gabe der Kaufsache zur bestimmten Zeit ganz versäumt, sondern auch, wenn er 
zwar die Übergabe rechtzeitig anbietet, die von ihm angebotene Sache aber von 
vertragswidriger Beschaffenheit ist und der Käufer deshalb die Annahme der 
Sache verweigert. 
2. a) Liegt der Fall des Übergabeverzuges vor, so hat der Käufer, wie selbst- 
verständlich, zunächst das Recht, auf der nachträglichen Lieferung der Kauf- 
sache zu bestehn; daß er sich dies Recht durch eine Erklärung gegenüber dem 
Verkäufer besonders wahren müßte, ist (abgesehn von einer dem Handelsrecht 
angehörigen Ausnahme HG#B. 376 I) nicht vorgeschrieben. Außerdem hat er 
aber auch das Recht, wegen der Verspätung die nachträgliche Lieferung der 
Kaufsache abzulehnen (326 I). 
b) In einigen Fällen hat der Käufer zwischen dem Recht, die nachträg- 
liche Lieferung der Sache trotz der Verspätung zu fordern und dem Recht, sie 
wegen der Verspätung zurückzuweisen, die freie Wahl, nämlich — wenn wir 
zunächst von den Fixgeschäften (unten S. 506 III) absehn — erstens, wenn die 
Nachlieferung wegen ihrer Verspätung 1 gar kein Interesse für ihn haben 
würde, zweitens, wenn der Verkäufer vor oder nach Beginn des Verzuges die 
Nachlieferung endgültig abgelehnt hat, #drittens, wenn der Verkäufer außerstande 
ist, selbst innerhalb einer ihm vom Käufer etwa bewilligten Nachfrist die Nach- 
lieferung vertragsmäßig zu bewirken. Die Folge ist, daß der Verkäufer in 
diesen drei Fällen übel daran ist, weil er nicht weiß, ob der Käufer ihn zur 
Nachlieferung der Kaufsache zwingen oder umgekehrt die Annahme der Nach- 
lieferung ablehnen wird. Doch erlischt das Wahlrecht des Käufers und damit 
auch die Unsicherheit der Lage des Verkäufers, sobald der Käufer ihm gegen- 
über erklärt hat, die Annahme der Kaufsache der Verspätung wegen abzu- 
lehnen; denn alsdann ist er an diese seine Entscheidung gebunden und kann 
die Nachlieferung der Kaufsache nicht mehr fordern (s. 326 II, 1 Satz 2). 
Das nämliche wird gelten, wenn der Verkäufer dem Käufer eine angemessene 
Frist zur Ausübung seines Wahlrechts gesetzt und der Käufer innerhalb der 
Frist eine Erklärung nicht abgegeben hat. 
Beispiele. I. 1. A. will am Mittwoch einen Maskenball besuchen und kauft deshalb 
Montag früh von B. einen Maskenanzug lieferbar Montag abend; B. bietet aber die 
Lieferung erst am Donnerstag an, und A. weist sie als verspätet zurück, da es unsicher 
ist, ob er noch an einem späteren Maskenball teilnehmen wird. Hier ist A. im Recht; 
  
1) RG. 70 S. 131. 
2) RG. 52 S. 151, 53 S. 12, 57 S. 113, 66 S. 421, 67 S. 314. Abw. Planck 24 
zu § 326.
	        
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