8 123. Lieferungsverzug des Verkäufers. 499
nach den Umständen des Einzelfalls ein Verzug auch bei den folgenden Lieferungen zu be—
sorgen ist. 10
5. a) Fordert der Käufer außer der Nachlieferung der Kaufsache Schadens-
ersatz wegen Verspätung der Lieferung (s. oben zu 3 a), so muß er dartun,
welcher Schaden ihm dadurch entstanden ist, daß er die Kaufsache nicht recht-
zeitig — d. h. nicht in dem Zeitpunkt, in dem der Verkäufer in Lieferungs-
verzug geriet —, sondern verspätet bekommt.
a) Am einfachsten führt der Käufer diesen Beweis, wenn er den Wert,
den die Kaufsache bei Beginn des Verzuges gehabt hat (m), mit dem Wert,
den sie zur Zeit der verspäteten Lieferung hatte (n), vergleicht: ist ersterer
Wert höher, so stellt der Unterschied im —n) den Schaden des Käufers dar;
diese Schadensberechnung wird als die abstrakte bezeichnet, da sie dem Käufer
das Eingehn auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, also auf die besondern
Verlegenheiten, in die ihn der Verzug des Verkäufers versetzt hat, erspart.
Doch steht dem Verkäufer der Gegenbeweis frei, daß der Käufer die Kaufsache,
wäre sie rechtzeitig geliefert worden, bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie tat-
sächlich geliefert worden ist, behalten haben würde und also von dem Wert-
verlust auch bei rechtzeitiger Lieferung betroffen wäre: gelingt ihm dieser Be-
weis, so braucht er dem Käufer für den Wertverlust nicht einzustehn.
Beispiel. A. hat am 1. März von B. 100 Tonnen Roggen, zum Preise von 186 Mark
die Tonne, lieferbar am 1. Mai gekauft; B. liefert den Roggen aber erst am 1. Juni; am
1. Mai war der Marktpreis für Roggen auf 192 Mk. gestiegen, am 1. Juni wieder auf
187,5 Mk. gefallen. Hier muß B. dem A. den Preisunterschied von 192—187,5 — 4,5 Mk.,
zusammen 450 Mk. erstatten, es sei denn, daß er beweist, A. würde den Roggen bei recht-
zeitiger Lieferung nicht vor dem 1. Juni verkauft haben.
Die Zulässigkeit der abstrakten Schadensrechnung ist im BGB. nicht ausdrücklich aner-
kannt, ergibt sich aber aus folgender (übrigens nicht völlig zweifelsfreier) Erwägung: hätte
der Verkäufer rechtzeitig geliefert, so wäre, wenn wir den bedungenen Kaufpreis mit p be-
zeichnen, das Vermögen des Käufers um m—p vermehrt; tatsächlich ist aber infolge des
Verzuges des Verkäufers dem Vermögen des Käufers nur n—yp zugeflossen; der Käufer hat
also durch den Verzug wirklich einen Schaden von (m—p) — (n—p) = m—#erlitten.
Und zwar bleibt diese Erwägung auch dann stichhaltig, wenn die Möglichkeit besteht, daß der
Käufer die Sache bei rechtzeitiger Lieferung bis zu dem Tage, an dem ihr Wert auf n sank,
behalten haben würde; denn auch, wenn man diese Möglichkeit zugibt, muß es dabei bleiben,
daß der Wertverlust m—n den Käufer tatsächlich betroffen hat, weil ihm zu spät geliefert
ist, nicht aber, weil er die Sache zu lange behalten hat. Anders dagegen, wenn es nicht bloß
möglich, sondern gewiß ist, daß der Käufer die Sache bis zum Eintritt des Wertverlusts
behalten haben würde: hier fehlt es an einem zureichenden Grunde, den Verkäufer um seines
Verzuges willen für den Verlust haften zu lassen.
8) Außer in der eben geschilderten abstrakten kann der Käufer den ihm
obliegenden Beweis auch in konkreter Art führen. Hierher gehören namentlich
folgende drei Fälle.
aga) Der Käufer hat die Kaufsache im Vertrauen darauf, daß der Ver-
käufer sie ihm pünktlich liefern werde, an einen Dritten weiter verkauft, gerät
10) RG. 53 S. 166, 58 S. 420, 61 S. 129, 67 S. 7. Siehe auch Müller-Erzbach
D. Jurgtg. 9 S. 1158; Ortmann Anm. a zu 326.
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