Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 123. Lieferungsverzug des Verkäufers. Deckungskauf. 501 
Lieferung den Roggen am 4. Mai zu 194 verkauft haben würde, so steigert sich sein Ersatz- 
anspruch auf 6,5 Mk. für die Tonne. 
Im einzelnen gelten für den Deckungskauf beim Schadensersatz wegen Verspätung 
analoge Regeln wie beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung (s. unten zu c ). 
b) Fordert der Käufer unter Rücktritt vom Vertrage Ersatz seines nega- 
tiven Vertragsinteresses (s. oben S. 497o), so muß er dartun, welcher Schaden 
ihm dadurch entstanden ist, daß sein Vertrauen auf die Erfüllung des Ver- 
trages sich als hinfällig erwies. Hierher gehört namentlich der Fall, daß er 
in Erwartung der Aufrechterhaltung des Kaufvertrages Aufwendungen gemacht 
hat, die sich nun, da der Kaufvertrag durch seinen Rücktritt aufgelöst wird, 
als nutzlos erweisen. 
Beispiel. A. in M. hat von B. ein in N. gelegenes Haus gekauft und die Übergabe 
auf den 1. April vereinbart; er schickt demgemäß Ende März sein ganzes Mobiliar von M. 
nach N.; B. verzögert aber die Übergabe des Hauses derart, daß A. nach Abwartung einer 
dem B. bewilligten angemessenen Nachfrist von dem Vertrage zurücktritt und die Möbel 
wieder nach M. zurückschaffen läßt. Hier kann A. fordern, daß B. ihm die Kosten für den 
Hin= und Rücktransport der Möbel erstattet. 
c) Fordert der Käufer unter Ablehnung der Nachlieferung der Kaufsache 
Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages, so muß er dartun, 
welcher Schaden ihm dadurch entstanden ist, daß ihm die Kaufsache gar nicht 
geliefert ist. 
a) Am einfachsten führt der Verkäufer diesen Beweis, gerade wie wenn 
er Schadensersatz wegen Verspätung der Lieferung verlangt, in abstrakter Art 
durch Vergleich zweier Werte der zu liefernde Sache.12 Doch kommen hier 
andre Werte in Betracht als die, die der Berechnung des Schadens wegen 
Verspätung zugrunde gelegt werden, nämlich der beim Kaufabschluß in Gestalt 
des Kaufpreises vertragsmäßig festgesetzte Wert (p) und der Wert, den die 
Sache an dem Tage gehabt hat, an dem er das Recht auf die Nachlieferung 
verlor (s): ist letzterer Wert höher, so stellt der Unterschied (8—p) den Schaden 
des Käufers wegen Nichterfüllung dar. 135 
Beispiel. Derselbe Fall wie zu ge; nur hat B. den Roggen auch am 1. Juni nicht 
geliefert; A. hat ihm deshalb eine Nachfrist bis zum 15. Juni mittags gesetzt und verlangt 
nun, da B. diese Frist versäumt hat, Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Hier muß, wenn 
der Marktpreis des Roggens am 15. Juni 189 betrug, B. dem A. 189—186 = 3 Mk. für 
die Tonne ersetzen. 
Die Zulässigkeit der abstrakten Schadensberechnung ist für den Schadensersatz wegen 
Nichterfüllung nur vom Handelsrecht und auch von ihm bloß innerhalb sehr enger Grenzen 
ausdrücklich anerkannt (HGB. 376). Doch läßt sich ihre Zulassung auch für das bürgerliche 
Recht nicht beanstanden; die Gründe sind dieselben wie bei der abstrakten Schadensberechnung 
wegen Verspätung. 
6) Außer in der eben geschilderten abstrakten kann der Käufer den ihm 
obliegenden Beweis auch hier in konkreter Art führen. Dabei kommen die 
12) Siehe RG. 68 S. 164. 
13) Düringer-Hachenburg, Kommentar z. HG. 2 S. 162.
	        
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