Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 127. Gewähr für ordnungsmäßige Beschaffenheit der Kaussache. 515 
Vase als Schaustück kauft, kann diese Forderung nicht erheben. IV. Wer eine schlichte goldne 
Taschenuhr kauft, kann größere Ansprüche an die Genauigkeit ihres Ganges erheben, wenn 
die Uhr 400, als wenn sie nur 80 Mk. kostet. Dagegen kann er sich darüber nicht beschweren, 
daß gleichartige Uhren derselben Fabrik in andern Geschäften um 10% billiger verkauft 
werden. V. Wer in einem Wirtshause nach der Mahlzeit eine Zigarre ohne Preisangabe 
bestellt, kann beanspruchen, daß sie zwar nicht im Vergleich zu allen im Handel befindlichen, 
wohl aber im Vergleich zu den in jenem Wirtshause feilgehaltenen Zigarren von mittlerer 
Art und Güte sei; er muß also je nach der Art des Wirtshauses auf eine sehr feine oder 
eine sehr bescheidene Zigarre gefaßt sein. Diese Entscheidung gilt aber nur „im Zweifel“; 
sie kann sich also ändern, wenn der Gast besondre Ansprüche an Zigarren macht, die dem 
Wirt erkennbar sind, sei es, daß er in dem Wirtshause häufig verkehrt, sei es, daß er ein 
besonders vornehmes oder besonders einfaches Mittagessen bestellt hat. 
c) Die Gewährschaftspflicht des Verkäufers gilt auch bei Mängeln, die 
er selber nicht gekannt hat, und sogar bei Mängeln, die er gar nicht kennen 
konnte. Dagegen fällt sie fort: 
a) bei Mängeln, die beim Kaufabschluß dem Käufer bekannt gewesen 
sind (460 Satz 1); 
69 bei Mängeln, die dem Käufer beim Kaufabschluß zwar nicht bekannt 
waren, aber bei Anwendung einer ganz geringen Aufmerksamkeit hätten bekannt 
sein können, ausgenommen den Fall, daß der Verkäufer die Mängel ihm arg- 
listig verschwiegen hat (460 Satz 2; s. unten S. 527 V); 
) bei Mängeln, die dem Käufer zwar nicht bei Abschluß des Kaufs, 
aber doch bei Annahme der Kaufsache bekannt gewesen sind, es sei denn, daß 
er sich bei der Annahme' seine Rechte wegen dieser Mängel besonders vor- 
behalten hatte (464) oder ein solcher Vorbehalt nicht möglich war; 
0) bei Mängeln, die der Käufer nachträglich ausdrücklich oder stillschweigend 
genehmigt hat;? 
e) bei Mängeln, die erst entstanden sind, nachdem die Gefahr der Kauf- 
sache bereits auf den Käufer übergegangen war (s. 459 1), es sei denn, daß dem 
Verkäufer ein Verschulden zur Last fällt; 
5) bei Mängeln, die den Wert oder die Tauglichkeit der Kaufsache nur 
unerheblich mindern (459 1 Satz 2); 
p9 bei allen Mängeln, wenn die Kaufsache auf Grund eines Pfandrechts 
in öffentlicher Versteigerung unter der Bezeichnung als „Pfand“ oder wenn 
sie in der Zwangsvollstreckung verkauft wird (461; ZPO. 806; RZwes. 56). 
Beispiele. I. Der Hund, den A. von B. gekauft hat, erkrankt nach Abschluß des Kaufs 
und stirbt; der Tierarzt stellt fest, daß der Krankheitskeim schon vor dem Kaufabschluß in 
dem Tier gesteckt haben muß, obschon damals niemand etwas davon merken konnte. Hier 
ist B. dem A. haftbar. II. 1. C. kauft von D. einen Tisch, dessen Politur eine deutliche 
Schramme aufweist; auch C. hat die Schramme bemerkt, aber nichts darüber gesagt, weil er 
es für selbstverständlich ansah, daß D. sie beseitigen werde. Hier ist D. haftfrei, wenn nicht 
die Beseitigung der Schramme, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, besonders vereinbart 
war. 2. a) E. kauft von F. ein Haus, das sich offensichtlich in schlechtem Bauzustande be- 
sindet, bemerkt aber die Mängel nicht, weil es bei der Besichtigung des Hauses schon sehr 
5) Siehe RG. 54 S. 82, 59 S. 105. 6) RG. 58 S. 264. 
7) Siehe auch RG. 55 S. 207. 
  
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