Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

520 Buch 1I. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
werden und auch das Urteil braucht die Einwilligung des Verkäufers in die 
Wandlung nicht ausdrücklich zu erwähnen; vielmehr kann diese Einwilligung 
dem Verkäufer in der Klage stillschweigend abgefordert, in dem Urteil still- 
schweigend anbefohlen werden. 15 
Beispiel. A. hat von B. durch zwei selbständige Verträge einen Wagen und ein Pferd 
für je 1000 Mk. erworben und hat auf beide Kaufpreise je 500 Mk. angezahlt, während 
der Rest der Preise ihm auf 14 Tage gestundet ist; das Pferd ist fehlerfrei, der Wagen 
mangelhaft; A. verlangt deshalb die Wandlung des Wagenkaufs; B. widerspricht der 
Wandlung. Hier kann A. die Zahlung der zweiten Kaufpreisrate für den Wagen ohne 
weiteres durch Einrede verweigern. Schwieriger ist es für ihn, auch die Rückerstattung der 
bereits bezahlten ersten Rate zu erlangen; denn der Ausweg, sein Recht auf Rückgabe dieser 
ersten Rate einfach gegen B.s Forderung auf die zweite Kaufpreisrate für das Pferd auf- 
zurechnen, ist ihm zur Zeit verschlossen, weil er ja noch kein Recht auf die Rückgabe des 
Geldes, sondern nur ein Recht auf Einwilligung des B. in die Wandlung hat. So bleibt 
also dem A. nichts übrig, als die 500 Mk. für das Pferd ruhig zu zahlen, wegen der 
500 Mk. für den Wagen aber mit B. einen Prozeß anzufangen. Hat er einen pedantischen 
Richter vor sich, so wird er in dem Prozeß den Antrag stellen, „den Beklagten zu verurteilen, 
1. in die Wandlung des Kaufs zu willigen, 2. nach Rechtskraft der Verurteilung zu 1 an 
ihn 500 Mk. zu zahlen“". Traut er dem Richter etwas mehr Verstand zu, so wird er 
auch den kürzeren Antrag „den Beklagten zu verurteilen, 500 Mk. an ihn zu zahlen“ 
riskieren. Selbstverständlich hat aber dieser kürzere Antrag keine stärkere Wirkung als der 
längere; das Urteil auf den Antrag wird also erst mit der Rechtskraft wirksam, da erst 
dann die bis dahin fehlende Einwilligung des Verkäufers durch das Urteil (stillschweigend) 
ersetzt ist. 
Die wichtigste praktische Folge der Regel zu ace ist, wie das vorstehende Beispiel zeigt, 
daß solange, als der Verkäufer nicht in die Wandlung eingewilligt hat oder zur Einwilligung 
rechtskräftig verurteilt ist, der Käufer mit dem Recht auf Rückzahlung des Kaufpreises nicht 
aufrechnen und ein Erkenntnis, das den Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises 
verurteilt, nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden kann. Daß diese Folgen be- 
sonders erfreulich wären, wird man kaum behaupten dürfen. 
Wie sonderbar verzwickt die Regeln zu aa sind, mache man sich dadurch klar, daß man 
sie analog auf das Strafrecht überträgt und etwa folgenden Gesetzesvorschlag kritisch würdigt: 
die Verurteilung eines Mörders zur Todesstrafe ist nur mit seiner Einwilligung statthaft; 
es kann aber von ihm beansprucht werden, daß er diese Einwilligung erteile, und ist er 
rechtskräftig dazu verurteilt, so wird durch dies Urteil seine mangelnde Einwilligung ersetzt; 
die Verurteilung des Mörders zur Einwilligung in die Todesstrase kann mit dem Urteil, 
das ihn des Mordes schuldig spricht, im voraus verbunden werden. 
Bestritten ist, ob die Wandlung durch ein zwischen Verkäufer und Käufer ergehendes 
rechtskräftiges Erkenntnis nur dann vollzogen wird, wenn es auf Grund einer Wandlungs- 
klage des Käufers den Verkäufer zum Abschluß des Wandlungsvertrages oder zur Rückgabe 
des Kaufpreises verurteilt, oder auch dann, wenn es auf Grund einer Wandlungseinrede 
des Käufers den Verkäufer mit seiner Klage auf Bezahlung des Kaufpreises abweist. Eine 
elegante Jurisprudenz wird die Frage in ersterem, eine verständige in letzterem Sinn lösen. 
Das Reichsgericht hat sich für die Eleganz entschieden. 1 
89) Ahnliche Regeln wie für den Kaufpreis müssen während des Schwebe- 
verhältnisses auch für die Kaufsache gelten. Die Sache verbleibt also, wenn der 
Verkäufer sie noch nicht geliefert hat, einstweilen bei ihm: er kann das Ver- 
langen des Käufers auf Lieferung der Kaufsache mittels der Einrede, daß die 
15) Siehe RG. 58 S. 425. Vgl. aber auch ebenda 69 S. 388. 
16) RG. 69 S. 385.
	        
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