528 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
käufers als arglistig zu brandmarken, genügt die Feststellung nicht, daß der
Mangel dem Verkäufer bekannt gewesen ist, sondern es ist außerdem die Fest-
stellung erforderlich, daß der Verkäufer gewußt hat, der Käufer kenne den Mangel
nicht und würde bei richtiger Kenntnis den Kauf gar nicht oder nur unter andern
als den vereinbarten Bedingungen abgeschlossen haben. Ja mehr noch: der Ver-
käufer muß entweder dem Käufer die Erkenntnis des Mangels absichtlich er-
schwert oder er muß bemerkt haben, daß der Käufer von ihm eine Auskunft
über etwaige Mängel der Sache erwartete.
Beispiele. I. A. verkauft sein Haus zur Sommerszeit an B. und verschweigt ihm
dabei, daß die Zentralheizungsanlage des Hauses völlig unbrauchbar ist, obschon er genau
weiß, daß B. hiervon keine Ahnung hat. 1. Dies Schweigen ist arglistig, wenn A. das
Haus dem B. zum Kauf angeboten hatte; denn alsdann konnte B. erwarten, daß A. ihm
einen so schweren Mangel wie den hier vorliegenden unaufgefordert mitteilen würde. 2. Hat
dagegen B. seinerseits die Initiative zum Hauskauf ergriffen, so kann man in jenem
Schweigen des A. keine Arglist sehn; denn A. hatte hier keine Veranlassung, den B. aufzu-
klären; dagegen wäre es arglistig, wenn A. dem B. den Zutritt zur Heizanlage absichtlich
erschwert hätte, etwa dadurch, daß er den Heizraum mit alten Kisten versperrte. II. 1. C.
kauft in dem Geschäft D.s ein Paar Handschuhe, von denen einer, wie D. weiß, aber dem C.
nicht anzeigt, stark beschmutzt ist. Hier ist das Schweigen des D. arglistig, sobald er bemerkt.
daß C. zufällig nur den saubern Handschuh besichtigt, ohne daß, wie zu 1, danach unter-
schieden werden muß, ob der Antrag zum Kauf vom Verkäufer oder vom Käufer ausgeht;
denn der Händler hielt ja den Handschuh als neuen feil; also mußte er dem Kunden auch
dann, wenn dieser als Antragsteller auftrat, über die Mängel des Handschuhs ungefragt
Auskunft geben. 2. Dagegen wäre anders zu entscheiden, wenn der Handschuh nur wenig
beschmutzt war; denn dann konnte D. annehmen, daß C. auf dessen Sauberkeit keinen
besondern Wert legen werde, und durfte demgemäß, ohne geradezu arglistig zu handeln,
schweigen.
Gleichgültig ist, ob der Käufer durch die Arglist des Verkäufers tatsächlich getäuscht ist.
2. Die Arglist des Verkäufers kann sowohl erheblich sein, wenn sie beim
Kaufabschluß, als auch dann, wenn sie erst bei der Ablieferung oder Über-
gabe der Kaufsache vorhanden gewesen ist. 30 Ersteres ist immer der Fall,
wenn der Kaufabschluß eine individuell bestimmte Sache betrafj; letzteres ist
der Fall, wenn der Kauf eine nur der Gattung nach bestimmte Sache zum
Gegenstande hatte oder wenn es sich darum handelt, die Einrede der kurzen
Verjährung abzuwehren oder eine Schadensersatzpflicht des Verkäufers zu be-
gründen.
Beispiele. Ein Automobil, das A. geerbt und dem B. verkauft und geliefert hat,
leidet an sehr groben Fehlern; A. und B. haben sie aber nicht erkannt, weil sie beide von
Automobilen nichts verstehn; erst nach dem Verkauf wird A. auf die Fehler aufmerksam
gemacht und verzögert nun die Ablieferung arglistig unter allerlei Vorwänden so lange, bis
B. eine große Reise antritt und dadurch eine Benutzung des Automobils durch B. auf
längere Zeit ausgeschlossen ist; die Folge ist, daß B. die Fehler erst sieben Monate nach der
Ablieferung bemerkt. I. Hier ist A. haftfrei, wenn nach Lage des Falls darin, daß B. die
Fehler des Automobils nicht bereits beim Kauf erkannte, eine grobe Fahrlässigkeit lag; denn
28) Siehe Klein, Anzeigepflicht im Schuldrecht (08).
29) RG. 55 S. 215.
30) Ro. 55 S. 214.