Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 127. Gewähr für ordnungsmäßige Beschaffenheit der Kaufsache. 529 
alsdann braucht A., auch wenn seine eigne Fahrlässigkeit die nämliche war, jene Fehler 
nicht zu vertreten (460), und wird dadurch, daß er nachträglich arglistig handelt, nicht etwa 
nachträglich haftbar. II. Dagegen ist A. haftbar, wenn dem B. eine grobe Fahrlässigkeit 
nicht zur Last fällt (459);: demgemäß kann B. den Kauf wandeln und, wenn A. die Einrede 
der Verjährung erhebt, sich auf die nachträgliche Arglist A.s sehr wohl berufen (477). 
Ebenso kann B. auf Grund der nachträglichen Arglist A.s auch Schadensersatzansprüche er- 
heben, soweit sie nicht Schäden, die ihm schon durch den Kauf, sondern Schäden, die ihm erst 
durch die Lieferung des fehlerhaften Automobils erwachsen sind, betreffen; erstattungsfähig ist 
also z. B. nicht der Gewinn, der dem B. dadurch entgeht, daß er das Automobil in seinem 
mangelhaften Zustande nicht weiter verkaufen kann, wohl aber der Schaden, den er erleidet, 
wenn er einen Autoausflug, der auf drei Tage berechnet war, schon nach 9 Stunden mitten 
auf dem Wege einstellen muß. 
VI. Zweifelhaft ist, ob das Gesetz dadurch, daß es dem Käufer bei 
Mangelhaftigkeit der Kaufsache die zu III aufgeführten vier Rechte ausdrück- 
lich zugestanden hat, ihm alle sonstigen Befugnisse gegenüber dem Verkäufer 
stillschweigend hat versagen wollen oder ob er neben jenen vier Rechten noch 
mit allen sonstigen Befugnissen ausgestattet sein soll, die sich zu seinen Gunsten 
aus allgemeinen Rechtsregeln ergeben. Wie es scheint, ist die Frage zu be- 
antworten wie folgt: 
1. Stillschweigend versagt ist dem Käufer 
a) das Recht, wegen der Mängel der Kaufsache vom Kauf einseitig zurück- 
zutreten, 
b) das Recht, tatsächliche Beseitigung der Mängel der Kaufsache im Wege 
der Ausbesserung zu fordern.1 
Beispiel. A. hat von dem Optikus B. einen bei diesem vorrätigen Feldstecher von 
Zeiß gekauft, dessen Schraubwerk nicht tadellos arbeitet. Hier muß B. den Feldstecher zurück- 
nehmen oder den Preis herabsetzen, braucht dagegen die Ausbesserung des Schraubwerks 
weder selbst zu besorgen noch durch Zeiß besorgen zu lassen. 
Ist der Verkäufer zur Ausbesserung der Kaufsache nicht verpflichtet, so ist er doch 
innerhalb einer ihm vom Käufer zu bewilligenden angemessenen Nachfrist dazu berechtigt.2 
Denn es geht nicht an, daß ein Verkäufer, der die Kaufsache mit ausbesserbaren Mängeln 
liefert, ungünstiger behandelt werden soll als ein Verkäufer, der sie gar nicht liefert. 
2. Umgekehrt ist dem Käufer stillschweigend belassen 
a) das Recht, die Annahme der Kaufsache wegen ihrer Mängel abzu- 
lehnen und, solange die Annahme nicht erfolgt ist, die Bezahlung des Kauf- 
preises zu verweigern (s. unten S. 531, 3), 
b) das Recht, nach Maßgabe der allgemeinen hierfür geltenden Vor- 
schriften auf Grund der Mängel der Kaufsache den Kauf wegen Irrtums oder 
Betruges anzufechten (119, 123).95 
Das Reichsgericht hat freilich angenommen, wegen eines geringfügigen Mangels könne 
der Käufer die Annahme nicht verweigern, sondern nur Preisminderung fordern.?" Doch 
dürfte diese Lehre mit unsern Gesetzen nicht ganz in Einklang stehn. 
—.— — — — — 
31) Ortmann Anm. öa zu § 462. 
32) Siehe RG. 61 S. 93. Abw. Endemann 1 S. 988 17. 
33) Krückmann, Arch. f. ziv. Pr. 98 S. 420, 101 S. 393; R. Schmidt, Ansechtungs- 
recht wegen Eigenschaftsirrtum u. Wandlungsanspruch (Diss. 100. Abw. RG. 61 S. 175, 
62 S. 285, 70 S. 129: Landsberg S. 192; Schneider, Arch. f. ziv. Pr. 97 S. 142. 
34) RG. 53 S. 71. 
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. I. 34
	        
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