Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 129. Kauf. Gewähr für Viehmängel. 535 
reden insoweit nichtig sein, als der Verkäufer einen Mangel der Kaufsache arg- 
listig verschweigt (476).“4 
Fortsetzung. Viehhandel. 1 
8 129. 
Die Regeln der beiden vorhergehenden Paragraphen gelten an und für 
sich auch für den Kauf von Tieren, namentlich von Hunden, Ziegen, Hühnern, 
Fischen. Nur für den Kauf gewisser Arten der Tiere, nämlich von Pferden, 
Eseln, Mauleseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen und 
Schweinen kommen folgende besondre Vorschriften zur Anwendung. 
I. Auch der Viehverkäufer muß für ordnungsmäßige Beschaffenheit seiner 
Ware aufkommen. Jedoch wird die Frage, was unter dieser ordnungsmäßigen 
Beschaffenheit zu verstehn ist, nicht, wie bei andrer Ware, frei von Fall zu 
Fall entschieden. Vielmehr wird die Antwort schablonenhaft durch einen Katalog 
gegeben, der die Hauptmängel jeder Viehart der Reihe nach aufzählt: für 
Mängel, die der Katalog erwähnt, ist der Verkäufer haftbar, während er für 
Mängel, deren der Katalog nicht gedenkt, nicht einmal im Fall der Arglist 
haftet; zugleich setzt der Katalog für jeden Hauptmangel eine Gewährfrist 
fest mit der Maßgabe, daß der Verkäufer auch für Hauptmängel nur dann 
einsteht, wenn sie sich innerhalb der Gewährfrist zeigen; die Gewährfrist be- 
ginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem die Gefahr des Tiers auf den 
Käufer übergeht (482 I, 483). Der Katalog ist erstmalig durch eine mit Zu- 
stimmung des Bundesrats erlassene kaiserliche Verordnung festgestellt und kann 
im gleichen Wege ergänzt oder abgeändert werden (482 II; kaiserl. Verordn. 
v. 27. März 1899). 
Beispiele. I. Bei Pferden gelten als Hauptmängel nur Rotz, Dummkoller, Dämpfig- 
keit, Kehlkopfpfeisfen, Mondblindheit, Krippensetzen, nicht dagegen die Neigung zum Scheuen, 
auch wenn sie das Pferd zum Gebrauch als Kutsch= und Reitpferd völlig unbrauchbar macht; 
die Gewährfrist ist bei allen eben genannten Mängeln auf 14 Tage bestimmt. II. Wenn 
eine Viehseuche auftritt, die bisher noch unbekannt war und deshalb in den keiserlichen 
Katalog nicht hat aufgenommen werden können, ist der Verkäufer haftfrei, mag auch das 
verkaufte Tier am Tage nach dem Kauf der Seuche verfallen und erweislich den Krankheits- 
keim schon vor dem Kauf in sich getragen haben. Selbst daß der Kaiser seinen Katalog 
schleunigst ergänzt, hilft nur für die Zukunft, weil die Ergänzung keine rückwirkende Kraft hat. 
II. Die Beweislast ist die gleiche wie bei sonstigen Käufen; jedoch wird, 
wenn sich ein Hauptmangel innerhalb der Gewährfrist zeigt, vermutet, daß er 
schon zu der Zeit vorhanden gewesen ist, zu der die Gefahr auf den Käufer 
überging (484). 
III. 1. a) Ist das verkaufte Tier mit einem Mangel behaftet, den der 
4) RG. 62 S. 122. 
1) Schneider, Rechtsregeln des Viehhandels (99); Reuter u. Sauer, Gewährleistung 
bei Viehveräußerung (00); Hirsch u. Nagel, Gewährleistung beim Viehhandel (02); Krück- 
mann, Anfechtung, Wandlung u. Schadensersatz beim Viehkauf (04).
	        
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