538 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
frist, 1 die nachträgliche Zahlung des Kaufpreises zurückweisen und Schadens-
ersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages fordern. Alsdann bleibt er zur
Lieferung der Kaufsache nach wie vor berechtigt, ist aber nicht dazu verpflichtet,
sondern kann die Sache behalten oder anderweit darüber verfügen. Der
Schadensersatz wegen Nichterfüllung ist ähnlich zu berechnen wie beim Liefe-
rungsverzuge des Verkäufers.
aa) Die Berechnung kann abstrakt geschehn durch Vergleich des Vertrags-
preises (p) mit dem Wert der Kaufsache zu der Zeit, da der Verkäufer von
seiner Lieferungspflicht befreit wurde (r); ist jener Preis höher als dieser
Wert, so stellt der Unterschied (p—r) den dem Verkäufer gebührenden Schadens-
ersatz dar.
Diese Berechnungsart ist im Gesetz hier sowenig wie beim Lieferungsverzuge des Ver-
käufers ausdrücklich zugelassen. Ihre Zulässigkeit ist aber selbstverständlich; denn der Ver-
käufer büßt, indem er die Annahme des Kauppreises ablehnt, eben diesen Kaufpreis ein und
behält dafür die Sache in ihrem jetzigen Wert, erleidet also tatsächlich eine Vermögens-
minderung in Höhe von D-r.
66) Die Berechnung kann aber auch konkret erfolgen. Am häufigsten ge-
schieht dies auf Grund eines Selbsthülfeverkaufs:s der Verkäufer ver-
äußert nämlich die Sache, deren Bezahlung der Käufer versäumt hat, anderweit
und fordert, wenn der beim ursprünglichen Verkauf bedungene Preis (p) höher
ist als der Preis des Selbsthülfeverkaufs (§) abzüglich der Auslagen an Mäkler-
gebühr, Stempeln u. dgl. (t), den Preisunterschied (p—s—#t#) als seinen
Schadensersatz. Der Selbsthülfeverkauf ist ein vollkommenes Gegenstück zum
Deckungskauf. Deshalb kommen die für letzteren geltenden Regeln auch auf ihn
analog zur Anwendung. Er braucht also — anders als der Selbsthülfever-
kauf bei Annahmeverzug des Gläubigers (oben S. 434) — nicht durch Ver-
steigerung zu geschehn, sondern kann formlos erfolgen“, hängt vom freien
Willen des Verkäufers ab5, usw.
b) Zweiter Fall: der Verkäufer hat seinerseits den Vertrag erfüllt, ohne
den Kaufpreis zu „stunden“", d. h. ohne dem Käufer ein Recht auf nachträg-
liche Zahlung des Preises zuzugestehn. Dann hat er ein dreifaches Wahlrecht
in gleicher Art wie zu a. Verlangt er Schadensersatz wegen Nichterfüllung,
so kann er die dem Käufer gelieferte Kaufsache zurückfordern und ihren Wert
von dem ihm zu leistenden Schadensersatz in Abzug bringen; er kann aber
auch die Sache dem Käufer belassen.
c) Dritter Fall: der Verkäufer hat seinerseits den Vertrag erfüllt und
den Kaufpreis gestundet. Dann hat er nur ein zweifaches Recht, nämlich
entweder auf nachträgliche Zahlung des Kaufpreises nebst Schadensersatz wegen
1) RG. 53 S. 75.
2) Siehe oben S. 406.
3) Sohm, Zeitschr. f. Handelsrecht 53 S. 79.
4) R. 61 S. 280.
5) RG. 53 S. 14.