540 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
3. Ist es streitig, ob der Kaufpreis bezahlt ist, so trifft die Beweislast
den Käufer: der Verkäufer muß darlegen, daß der Käufer den Kaufpreis
schuldig geworden, der Käufer muß beweisen, daß er von dieser Schuld durch
Zahlung frei geworden ist. So auch bei den Käufen des täglichen Lebens,
obschon die Beweislast den Käufer hier besonders schwer trifft, weil es bei
derartigen Geschäften schlechterdings nicht Sitte ist, sich den Beweis der Zahlung
durch Quittung u. dgl. zu sichern.
Es ist übrigens ebensowenig Sitte, daß bei derartigen Geschäften der Verkäufer sich
den Beweis der Nichtzahlung (Stundung) des Kaufpreises sichert. Die Beweisschwierigkeit
bleibt also vollauf bestehn, wenn man die Beweislast vom Käufer auf den Verkäufer ab-
schiebt. Somit kann sie für sich allein in unfrer Frage unmöglich den Ausschlag geben.
Für eine bestimmte Art des Kaufs hat man dem Käufer den Beweis der Zahlung
abzunehmen gesucht6, nämlich für den Bar= oder Handkauf, bei dem der Käufer den Ver-
kaufsantrag erst durch die tatsächliche Bezahlung des Kaufpreises annimmt; bei dieser Art
des Kaufs sei nämlich der Käufer zur Zahlung des Kauppreises in keinem Augenblick ver-
pflichtet, da ja der Abschluß des Kaufvertrages mit der Zahlung des Kaufpreises zeitlich
zusammenfalle:; sonach brauche der Käufer auch nicht zu beweisen, daß seine Kaufpreisschuld
durch Zahlung erloschen sei. Doch ist diese Beweisführung schwerlich begründet. Denn,
auch wenn der Käufer den Kauspvertrag erst durch die Zahlung abschließt, geht er eben da-
durch die Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises ein; das ist besonders deutlich, wenn sich
später herausstellt, daß er den vom Verkäufer geforderten Kaufpreis nur teilweise bezahlt
hat; denn alsdann darf er nicht etwa die Kaufsache zurückgeben, sondern muß den Kauf-
preis ergänzen. Allerdings ist in letzterem Fall der Verkäufer beweispflichtig, aber nur
deshalb, weil er die Leistung des Käufers als Erfüllung der Käuferverpflichtung bereits
angenommen hatte. Und diese Annahme muß der Käufer beweisen!
II. 1. a) Eine zweite Hauptpflicht des Käufers ist die der Abnahme
der Kaufsache’ (433 II); es ist also nicht bloß der Käufer berechtigt, die
Lieferung der Kaufsache zu fordern, sondern es kann auch umgekehrt der Ver-
käufer fordern, daß der Käufer die Lieferung annimmt, regelmäßig sogar, daß
er die Kaufsache abholt. Der Verkäufer kann dies sein Recht nötigenfalls auch
durch Klage s und Zwangsvollstreckung geltend machen, besonders wichtig, wenn
die Aufbewahrung der Sache für ihn lästig oder gar gefährlich ist.
b) Die Abnahmepflicht besteht nur gegenüber einer völlig vertragsmäßigen
Lieferung; eine mangelhafte Sache oder eine Sache, die am falschen Ort oder
zur falschen Zeit geliefert ist, braucht der Käufer nicht einmal vorläufig ab-
zunehmen.
2. Kommt der Käufer mit der Abnahme in Verzug, so hat der Verkäufer
nicht bloß die früher besprochenen Rechte, die ein Schuldner gegenüber dem
in Annahmeverzug geratenen Gläubiger hat, also das Recht, verkaufte Grund-
stücke preiszugeben, verkaufte Kostbarkeiten zu hinterlegen, andre bewegliche
Kaufsachen im Wege formellen Selbsthülfeverkaufs zu veräußern.? Vielmehr
6) Endemann 1 8§ 163, 2; Planck-Greiff Anm. 2 vor § 433.
7) Abw. Kohler, Arch. f. BR. 13 S. 174, 240; Romeick, Zur Technik des BGB. 1
S. 56; Jacobi, Jahrb. f. Dogm. 45 S. 268.
8) RG. 56 S. 178.
9) RG. 69 S. 107. Abw. RG. 53 S. 161: Jacobi, Jahrb. f. Dogm. 45 S. 288;
Hohenstein, Arch, f. BR. 25 S. 69; Oberloskamp, Abnahmepflicht (Diss. 05) S. 61.