8 12. Auslegung eines Gesetzes aus seiner Entstehungsgeschichte. 41
alles ausländischen bürgerlichen Rechts in Deutschland auszuschließen. In
Wirklichkeit ist aber das deutsche Recht von solcher Ausschließlichkeit weit ent-
fernt, läßt sich vielmehr die Konkurrenz des ausländischen Rechts innerhalb
des deutschen Reichs unbedenklich gefallen. Doch ist es selbstverständlich darauf
bedacht, daß nicht aus der konkurrierenden Geltung der inländischen und aller
möglichen ausländischen Rechte im deutschen Rechtsgebiet eine Kollision zwischen
diesen Rechten erwachse. Es hat demgemäß sogenannte Kollisionsnormen
aufgestellt, die genaue Auskunft darüber geben, wieweit innerhalb des deutschen
Reichs das Anwendungsgebiet des einheimischen und neben ihm das An-
wendungsgebiet des bürgerlichen Rechts jedes einzelnen Auslandsstaats reicht.
Alle diese Kollisionsnormen zusammen bilden das deutsche internationale
Privatrecht.
I. Ein allgemeines Charakteristikum der Kollisionsnormen des deutschen
internationalen Privatrechts ist, daß sie, obschon sie nebeneinander die An-
wendung deutschen und ausländischen Rechts zum Gegenstande haben, doch
selber einzig und allein deutsches Recht enthalten. Das will besagen: das
inländische Recht gilt im deutschen Reich gerade soweit, als das deutsche Recht
es will, nicht mehr und nicht weniger.?
Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß einige der deutschen Kollisionsnormen auf
internationalen Verträgen beruhn, die das deutsche Reich mit andern Staaten abgeschlossen
hat. Denn daß das Reich auf diese Verträge eingegangen ist, beruht auf seinem freien Willen.
Auch kann es sich unter Einhaltung gewisser Kündigungsfristen von diesen Verträgen wieder
lossagen. Ja wenn es, ohne die Verträge zu kündigen, die vereinbarten Kollisionsnormen
einseitig durch Reichsgesetz abändern oder aufheben würde, würde darin zwar ein Verstoß
gegen das Völkerrecht liegen; daran aber, daß solch ein Gesetz innerhalb des deutschen Reichs
gültig sein würde, wäre nicht zu zweifeln.
II. 1. An die Spitze der deutschen Kollisionsnormen ist folgende allge-
meine Regel zu stellen, die man als das Prinzip des deutschen inter-
nationalen Privatrechts bezeichnen kann: eine Rechtsfrage ist in Deutsch-
land nach dem Recht des Staats zu beurteilen, der das größte gesetzgeberische
Interesse daran hat, eine Frage dieser Art nach eignem Ermessen zu entscheiden.
Aus diesem Prinzip ergeben sich unter andern folgende drei Normen:
a) Die Geschäftsfähigkeit einer Person wird nach ihrem Personal-
statut,“ d. h. nach dem Recht des Staats beurteilt, dem sie in dem maß-
gebenden Zeitpunkt angehört hat.““ Ingleichen bestimmen sich die familien-
rechtlichen Beziehungen einer Person nach dem Personalstatut des Familienhaupts,
das Erbrecht nach dem Personalstatut des Erblassers usw.“5
b) Die dinglichen Rechtsverhältnisse einer Sache werden nach dem Real-
d. internat. Zivil= u. Handelsrecht (02); Klein im Arch. f. BR. 27 S. 252, 29 S. 92, 311;
Habicht-Greiff, iniernat. Privatrecht (07). — Böhm, Ztschr. f. internat. Pr. u. Strafrecht
(seit 91). 2) Siehe aber unten zu IV, 2c.
3) Siehe unten bei Anm. 11. 4) Genaueres unten bei Anm. 17.
4a) Genaueres s. unten im Zusatz zu Buch I Abschn. ö.
4b) Genaueres s. unten im Zusatz zu Buch VI Abschn. 2, 3, 4, 7, Buch VII Abschn. 1.