Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

606 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
III. In zwei Fällen kann ein auf bestimmte Zeit begründetes Dienst- 
verhältnis schon vor Ablauf der Dienstzeit unter Einhaltung einer Kündigungs- 
frist aufgekündigt werden. 
1. Erstlich, wenn das Dienstverhältnis für die Lebenszeit des Dienst- 
schuldners oder eines andern oder für längere Zeit als fünf Jahre einge- 
gangen ist: die Kündigung kann hier nach dem Ablauf von fünf Jahren für 
jeden beliebigen Tag (!) erfolgen; die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate; 
kündigungsberechtigt ist nur der Dienstschuldner (624). 
2. Zweitens, wenn bei einem Dienstverhältnis, das sich auf den Haus- 
halt, den Wirtschaftsbetrieb oder das Erwerbsgeschäft des Dienstempfängers 
bezieht, dieser in Konkurs verfällt: die Kündigung ist nur für die zu II ge- 
nannten Termine mit den dort genannten Fristen zulässig; kündigungsberechtigt 
ist der Dienstschuldner und der Konkursverwalter (Konk Ordn. 22). 
IV. In andern Fällen endlich kann ein Dienstverhältnis, mag es für 
bestimmte oder für unbestimmte Zeit begründet sein, zu jeder Zeit sofort — 
also vor Ablauf der etwa vereinbarten Dienstzeit und ohne Einhaltung irgend- 
einer Kündigungsfrist — aufgekündigt werden. 
1. a) Die sofortige Kündigung kann beiderseits willkürlich geschehn, wenn 
der Dienstvertrag auf Dienste höherer Art, die auf Grund besondern Vertrauens 
übertragen zu werden pflegen, geht und das Dienstverhältnis nicht dauernd 
und mit „festen“ Bezügen verbunden ist (627 1). Bei allen andern Dienst- 
verträgen ist sie dagegen nur statthaft, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (626); 
was hierunter zu verstehn ist, läßt sich nur im Einzelfall bestimmen. 
Beispiele. I. A. ist als Vertrauensarzt einer Lebensversicherungsgesellschaft auf fünf 
Jahre bestellt. Hier kann ihm schon vor Ablauf der fünf Jahre gekündigt werden: 1. nach 
freiem Belieben, wenn er lediglich für jede einzelne Diensthandlung honoriert wurde, 2. nur 
aus wichtigen Gründen, wenn ihm ein sestes Gehalt zugesagt oder wenigstens ein Mindest- 
satz von Diensteinnahmen garantiert war. II. Die B. ist bei der Schulvorsteherin C. auf 
drei Jahre fest angestellt. 1. Hier kann die B. schon vor Ablauf der drei Jahre kündigen, 
a) wenn sie von der C. gröblich beleidigt wird, b) wenn ihre Gesundheit unter ihrem Dienst 
leidet, c) wenn sie heiratet. 2. Ebenso kann die C. schon vor Ablauf der drei Jahre kündigen, 
a) wenn die B. faul oder untüchtig ist, b) wenn die B. wegen eines schweren Verbrechens 
unter Anklage gestellt wird, mag die Anklage auch auf einer völlig unbegründeten Denun- 
ziation beruhn, c) wenn die C. eine Erbschaft macht und deshalb ihre Schule auflöst. 
b) Ist nach der Regel zu a der Dienstempfänger zur sofortigen Kündigung 
befugt, so darf er von diesem Recht mit der größten Härte Gebrauch machen, 
ohne Rücksicht darauf, ob der Dienstschuldner in der Lage ist, sich sofort einen 
anderweitigen Verdienst zu verschaffen. Anders der Dienstschuldner: er darf 
wenigstens dann, wenn der Dienstvertrag auf eine Geschäftsbesorgung gerichtet 
war, sein Recht zu sofortiger Kündigung nur schonend, nämlich nur in der 
Art gebrauchen, daß der Dienstempfänger für die Besorgung des Geschäfts 
anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn, daß ein wichtiger Grund ihm 
eine solche Rücksichtnahme auf den Dienstempfänger verbietet; kündigt der 
1) Abw. RG. 69 S. 364.
	        
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