Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 147. Werkvertrag. 611 
Dienstvertrag ist ziemlich subtil und deshalb manchen Mißverständnissen aus- 
gesetzt. Zwei dieser Mißverständnisse liegen so nahe, daß sie einer ausdrück- 
lichen Zurückweisung bedürfen. 
a)Es liegt nahe, den Unterschied zwischen Werk= und Dienstvertrag dahin 
zu formulieren, daß der Werkunternehmer für den Erfolg der von ihm über- 
nommenen Arbeit unbedingt einzustehn habe, während der Dienstschuldner sich 
um den Erfolg seiner Arbeit gar nicht zu bekümmern brauche. Doch wäre 
dies eine Ubertreibung, sowohl was den Werk-, wie was den Dienstvertrag 
betrifft. Denn der Werkunternehmer hat den Erfolg seiner Arbeit zwar ver- 
sprochen, aber nicht gewährleistet; er wird also allgemeiner Regel gemäß von 
seiner Verpflichtung befreit, wenn er durch Umstände, die er nicht zu vertreten 
braucht, an der Erfüllung seines Versprechens verhindert ist (275); demnach 
ist es unrichtig, zu sagen, daß er für den Erfolg seiner Arbeit unbedingt ein- 
zustehn habe. Umgekehrt hat der Dienstschuldner zwar nicht den Erfolg seiner 
Arbeit, aber doch eine angemessene, sorgfältige Arbeit versprochen; er mufß also, 
wenn er bereits bei Abschluß des Dienstvertrages oder infolge einer nachträg- 
lichen, dem Dienstvertrage entsprechenden Anweisung des Dienstempfängers ge- 
wußt hat oder hätte wissen müssen, welchen Erfolg der Dienstempfänger von 
seiner Arbeit erwartete, seine Arbeit dieser Erwartung anzupassen suchen; dem- 
nach ist es unrichtig zu sagen, daß er sich um den Erfolg seiner Arbeit gar 
nicht zu kümmern brauche. 
Beispiele. Eine Schneiderin zerschneidet den von der Bestellerin gelieferten Stoff be- 
hufs Anfertigung eines Kleides; nachher stellt sich heraus, daß der Stoff für das Kleid 
nicht ausreicht, aber auch anderweit, zerschnitten wie er ist, nicht verwendet werden kann. 
Ob hier die Schneiderin auf Schadensersatz haftet oder nicht, hängt davon ab, ob es nach 
den Umständen des Einzelfalls zu ihren Obliegenheiten gehörte, sich vor Beginn der 
Schneiderei davon zu überzeugen, daß der Stoff für das Kleid ausreichte: wird diese Vorfrage 
bejaht, so ist die Schneiderin haftbar; wird diese Vorfrage verneint, so ist die Schneiderin 
haftfrei. Dagegen kommt es darauf, ob ein Werk= oder ein Dienstvertrag vorliegt, nicht 
unbedingt an; denn jene Frage kann sowohl beim Werk= wie beim Dienstvertrage bejaht 
und sie kann sowohl beim Werk= wie beim Dienstvertrage verneint werden. Immerhin wird 
man zugeben können, daß man sich zur Bejahung der Frage beim Werkvertrage leichter ent- 
schließen wird als beim Dienstvertrage. Denn es ist selbstverständlich, daß bei übrigens 
gleichen Umständen der Werkunternehmer strengere Pflichten hat als der Dienstschuldner. 
6) Es liegt nahe, den Unterschied von Werk= und Dienstvertrag dahin zu 
formulieren, daß der Werkunternehmer die ihm versprochene Vergütung nur 
dann beanspruchen könne, wenn seine Arbeit erfolgreich ist, während der Dienst- 
schuldner die Vergütung auch bei Erfolglosigkeit seiner Arbeit zu verlangen 
befugt sei. Doch liegt auch hierin eine Übertreibung. Denn diese verschiedene 
Behandlung der dem Werkunternehmer und dem Dienstschuldner gebührenden 
Vergütung gilt nur regelmäßig, aber nicht ausnahmslos, kann also unmöglich 
das Wesen des Unterschiedes zwischen Werk= und Dienstvertrag ausmachen: 
ein Vertrag kann Werkvertrag sein, obschon dem Unternehmer auch bei erfolg- 
loser Arbeit wenigstens ein Teil der vertragsmäßig ausbedungenen Vergütung 
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