Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

612 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
gewährt, ein Vertrag kann Dienstvertrag sein, obschon dem Dienstschuldner bei 
erfolgloser Arbeit die Vergütung ganz versagt wird. 
Beispiele. I. Der Maler A. hat die Anfertigung eines Porträts des B. gegen eine 
Anzahlung von einem Viertel des Honorars unter der Vereinbarung übernommen, daß er 
das Bild, wenn es mißlingt, vernichten dürfe, ohne deshalb jene Anzahlung zurückerstatten 
zu müssen: Werkvertrag. II. Der Arbeiter C. ist als Akkordarbeiter bei dem Fabrikanten D. 
in der Art beschäftigt, daß er für ihn Garn zu weben und für jedes fehlerfreie Webstück von 
gewisser Größe 80 Pfennig, demnach, wenn ihm kein fehlerfreies Webstück gelingt, gar nichts 
erhalten solle: Dienstvertrag. 
c) Die Unterscheidung von Werk= und Dienstvertrag ist trotz ihrer Sub- 
tilität praktisch von größter Bedeutung. Besonders hervorgehoben sei, daß 
zwar nicht der Dienstschuldner zur Leistung der versprochenen Dienste, wohl 
aber der Unternehmer zur Ausführung des versprochenen Werks durch Zwangs- 
vollstreckung angehalten werden darf und daß zwar der Dienstschuldner, nicht 
aber der Werkunternehmer seine Arbeitspflicht aus jedem wichtigen Grunde 
durch Kündigung abschütteln kann. 
3. Der Werkvertrag hat eine nahe Verwandtschaft auch mit dem Kauf, 
da ja der Kauf gerade wie der Werkvertrag auf die Lieferung eines von dem 
Lieferungsschuldner erst herzustellenden Gegenstandes gerichtet sein kann. Beide 
unterscheiden sich aber dadurch, daß beim Werkvertrage die Herstellung, beim 
Kauf die Lieferung des Gegenstandes im Vordergrund steht. Übrigens wird 
die praktische Bedeutung des Unterschiedes von Werkvertrag und Kauf dadurch 
etwas abgeschwächt, daß auf gewisse Arten der Werkverträge — wir nennen 
sie Kauf-Werkverträge — ein Teil der kaufrechtlichen Regeln oder gar 
sämtliche kaufrechtliche Regeln unverändert übertragen sind; doch soll hiervon 
erst in einem späteren Paragraphen näher die Rede sein. 
Beispiel. A. bestellt bei B. einen in dessen Laden befindlichen originell gearbeiteten 
Bücherschrank mit der Anweisung, einige Anderungen daran vorzunehmen. Dies ist Kauf, 
nicht Werkvertrag, es sei denn, daß die Anderungen sehr erheblich sind. 
II. 1. Gegenstand der Werkverträge sind „Werke“ aller Art, also sowohl 
körperliche als auch unkörperliche. 
Beispiele. Als Gegenstand eines Werkvertrages kann vorkommen der Bau eines 
Hauses, das Vorschuhen von Stiefeln, die Amputation eines Beins, die Lieferung von 
Witzen für eine Zeitschrift, die Entdeckung der Urheber eines Mordes usw. 
2. Wie die Dienstverträge können auch die Werkverträge auf eine Ge- 
schäftsbesorgung für den Besteller gehn (s. oben S. 594). 
Beispiele. I. Es liegt ein auf eine Geschäftsbesorgung gerichteter Werkvertrag vor, 
wenn jemand sich aus einem von ihm selbst gelieferten Stoff beim Schneider einen Anzug 
machen läßt oder einem Schiffsmann die Rettung seines ins Wasser gefallenen Söhnchens 
aufträgt. II. Dagegen liegt ein Werkvertrag andrer Art vor, wenn jemand sich beim 
Schneider aus einem von diesem zu liefernden Stoff einen Anzug machen läßt oder einem 
Journalisten die Abfassung einer Denkschrift über die Verderblichkeit der Sozialdemokratie 
aufträgt. 
Wie die vorstehenden Beispiele zeigen, bietet die Bestimmung des Begriffs Geschäfts- 
besorgung beim Werkvertrage die nämlichen Schwierigkeiten wie beim Dienstvertrage. Sie 
ist denn auch bei beiden Verträgen mit gleicher Innigkeit umstritten.
	        
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