Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

46 Buch J. Abschnitt 1. Die Rechtsregeln. 
wohl italienisches wie französisches Recht anzuwenden derart, daß die Interessenten sich nach 
ihrer Wahl auf eins der beiden Rechte berufen können, und den Vorrang hat, wer seine 
Ansprüche zuerst realisiert. 17 
c) Zu einem dritten Teil stehn die speziellen Kollisionsnormen in mehr 
oder minder scharfem Gegensatz zu unserm Prinzip. Hierher gehört die Norm, 
daß ein uneheliches Kind gegen seinen Vater in Deutschland niemals weiter- 
gehende Ansprüche erheben darf, als nach deutschem Recht begründet sind, selbst 
wenn Vater, Mutter und Kind weder die deutsche Staatszugehörigkeit besitzen 
noch ihren Wohnsitz in Deutschland haben (EG. 21). 
IV. 1. Ist nach der maßgebenden deutschen Kollisionsnorm auf eine Rechts- 
frage ein bestimmtes Auslandsrecht anzuwenden, so wenden wir es im allge- 
meinen kritiklos an, ohne Rücksicht darauf, ob es uns zusagt oder nicht. 
2. Doch erleidet diese Regel eine dreifache Ausnahme. 
a) An Stelle des eigentlich anzuwendenden Auslandsrechts wenden wir unser 
inländisches Recht insoweit an, als die Anwendung des Auslandsrechts dem 
offenbaren Zweck unfrer inländischen Gesetze widerstreitet (EG. 30..18 
b) An Stelle des eigentlich anzuwendenden Auslandsrechts wenden wir unser 
inländisches Recht insoweit an, als das Auslandsrecht uns geradezu als un- 
sittlich erscheint (EG. 30). 
C) An Stelle des eigentlich anzuwendenden Auslandsrechts wenden wir unser 
inländisches Recht insoweit an, als das Auslandsrecht selber gar nicht ange- 
wendet sein will, sondern durch eine von der unfrigen abweichende Kollisions= 
norm unser inländisches Recht für anwendbar erklärt: 1 Rückverweisung 
des Auslandsrechts auf das inländische Recht (s. EG. 27). Dagegen nehmen 
wir darauf, daß das nach unfrer Kollisionsnorm anzuwendende Auslandsrecht 
weder sich selbst noch unser inländisches Recht, sondern das Recht irgendeines 
andern Auslandsstaats für anwendbar erklärt (Weiterverweisung des 
einen Auslandsrechts auf das andre) keine Rücksicht, bringen also das nach 
unfrer Kollisionsnorm anzuwendende Auslandsrecht gegen dessen eignen Willen 
zur Anwendung.20 
Beispiele. I. Ein in Frankreich zwischen dort wohnenden Franzosen abgeschlossenes 
und dort zu erfüllendes Spielgeschäft unterliegt an und für sich dem französischen Recht 
und gibt demnach unter gewissen Voraussetzungen (c. c. 1966) dem Gewinner gegen den 
Verlierer eine klagbare Forderung. Trotzdem kann, wenn der Verlierer später nach Deutsch- 
land zieht, der Gewinner ihn hier aus dem Spiel nicht verklagen. Denn nach deutschem 
Recht sind Spielgewinne niemals einklagbar (762); einer der Gründe hierfür ist, daß es 
der Würde unfrer Gerichte nicht entspricht, sich mit Spielhändeln zu befassen; es würde aber 
dem „Zweck"“ des deuischen Gesetzes widersprechen, wenn unfre Gerichte sich zwar nicht auf 
deutsche, wohl aber auf französische Spielgeschäfte einlassen müßten. II. Die Ehe, die ein 
in der Türkei wohnender Türke mit mehreren dort wohnhaften türkischen Frauen ebenda 
abgeschlossen hat, unterliegt an und für sich dem türkischen Recht und ist demnach gültig. 
17) Siehe Zitelmann 1 S. 175. 18) RG. 60 S. 296. 
19) Niemeyer S. 86; Enneccerus S. 178. 
20) Das Gesetz schweigt. Wie oben Niemeyer S. 82. Abw. Enneccerus S. 172.
	        
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