Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 151. Anweisung. 631 
merkt, den Widerruf erklären, ehe der Angewiesene die Anweisung bezahlt oder 
angenommen hat. 
Genügt es, daß der Anweisende, statt den Widerruf dem Angewiesenen zu erklären, sich 
die Anweisung vom Empfänger zurückgeben läßt? Die Frage ist zu bejahn. Denn BG. 
785 bestimmt ja, daß der Angewiesene nur gegen Aushändigung der Anweisung zu zahlen 
„verpflichtet“ ist. Diese Regel ist dahin auszulegen, daß er auch nur gegen Aushändigung 
der Anweisung zu zahlen „ermächtigt“ ist. Sonach braucht der Anweisende eine Zahlung 
des Angewiesenen nicht anzuerkennen, solange er selber die Anweisung in Händen hält.v 
« Hat der Angewiesene eine ungültige, z. B. gefälschte Anweisung ausbezahlt, so hat er 
einen Ersatzanspruch gegen den Anweisenden nicht, es sei denn, daß sich aus den zwischen 
dem Angewiesenen und Anweisenden getroffenen Nebenabreden ein andres ergibt.io 
b) Ein Gegenrecht gegen den Angewiesenen hat der Anweisende nicht. 
3. Der Anweisende und der Empfänger. 
a) Der Anweisende hat das Recht, daß der Empfänger die Anweisung 
entweder dem Angewiesenen zur Zahlung schleunigst vorlegt oder, falls er dies 
nicht kann oder nicht will, dem Anweisenden unverzüglich Nachricht gibt; 
auch kann er beanspruchen, daß, wenn der Angewiesene sich weigert, die An- 
weisung zu bezahlen oder anzunehmen, der Empfänger ihm dies unverzüglich 
mitteilt (789). 
b) Ein Gegenrecht gegen den Anweisenden steht dem Empfänger nicht zu. 
V. Die Regeln zu IV sind auffallend dürftig. Dies erklärt sich dadurch, 
daß sie lediglich aus der Anweisung als solcher abgeleitet sind. Nun wird aber 
die Anweisung regelmäßig von Nebenabreden zwischen den Beteiligten vor- 
bereitet und begleitet. Und es ist einfach selbstverständlich, daß das Bild, 
das man von den Rechtsbeziehungen der Beteiligten gewinnt, wenn man 
sie lediglich nach dem Wortlaut der Anweisung beurteilt, durch die Berück- 
sichtigung dieser anderweitigen Vereinbarungen völlig verschoben werden kann; 
insbesondre zeigt sich alsdann, daß das Schuldverhältnis zwischen je zwei der 
Beteiligten durchaus nicht einseitig zu sein braucht. Daß die Anweisung der- 
artige Nebenabreden nicht in ihren Text aufnimmt, hat verschiedene Gründe: 
am einleuchtendsten ist der Grund, daß jede Nebenabrede nur zwei der Be- 
teiligten angeht, also in den für alle drei Beteiligten bestimmten Anweisungstext 
tatsächlich nicht hineingehört. 
1. Die geringste Bedeutung haben die Nebenabreden für das Verhältnis 
zwischen dem Empfänger und dem Angewiesenen. Denn diese beiden werden 
meistens erst zusammengeführt, wenn das Anweisungsgeschäft bereits zustande 
gekommen ist: die fertige Anweisung ist das einzige Band, daß sie verknüpft. 
So pflegen sie von besondern Nebenabreden abzusehn. 
2. Dagegen sind höchst bedeutsam die Nebenabreden zwischen dem An- 
gewiesenen und dem Anweisenden. Sie können namentlich eine Verpflichtung 
des Angewiesenen begründen, die Anweisungen des Anweisenden bis zu einem 
9) Abw. Endemann 2 8 195½8; Crome 2 § 308 1°. 
10) Siehe Dernb. BR. 2 § 242, 4.
	        
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