Metadata: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

Das deutsche Reich und seint einzelnen Glieder. (März 22—31.) 85 
22. März. (Hessen.) II. Kammer: hält gegenüber den Be- 
schlüssen der I. Kammer bez. der fünf Kirchengesetze in allen wesent- 
lichen Punkten an ihren früheren Beschlüssen fest, gibt dagegen in 
unwesentlichen nach. 
23. März. (Preußen.) Der Cultminister regelt durch Ver- 
fügung die Frage der Leitung des Religionsunterrichts an den ein- 
zelnen Volksschulen: 
„Wenn die Provincialregierungen den Geistlichen der Parochie, in 
welcher die betreffende Schule gelegen ist, als den Leiter des Religionsunter- 
richts ansehen, so liegt das für vorausgesetzte gewöhntiche Verhälknisse in 
der Natur der Sache, insofern der Parochus in der Regel der nächst Beru- 
fene dazu sein wird. Der Staat beansprucht, was die Auswahl dazu geeig- 
neter Persönlichkeit anlangt, auch nach seiner gegenwärtigen Stellung zur 
Kirche, weder die Initiative, noch die alleinige Bestimmung darüber. Das 
unzweifelhafte Recht des Staates aber, diesen Geistlichen, wie jede andere 
zur Leitung des Religionsunterrichts delegirte Person aus genügenden Grün- 
den abzulehnen, soll damit nicht eingeschränkt werden. Es bleibt als Grund- 
satz bestehen, daß der Staat berufen ist, Personen, die nach seiner Einsicht 
für die Erziehung der Jugend gefahrbringend sind, von der Schule fern zu 
halten. An sich kann es nicht gemißbilligt werden, wenn Geistliche an der 
Leitung des katholischen Religionsunterrichts zunächst nicht behindert werden. 
Ein unbedingtes Recht auf diese Funktion haben sie indessen gegenüber dem 
Staate nicht, und es liegt genügender und gebietender Grund vor, sie von 
der Schule fern zu halten, wenn die politische und kirchenpolitische  Hal- 
tung der Geistlichen zu den Zwecken des Staates, die derselbe mit der Er- 
ziehung der Jugend durch die Schule verfolgt, in Widerspruch tritt, diese 
Zwecke also gefährdet erscheinen 
26. März. (Württemberg.) Das Ordinariat des Bischofs 
Hefele lehnt es ab, sich mit der Versendung der beabsichtigten all- 
gemeinen deutschen Papstadresse zu befassen, da die Motive derselben 
auf Württemberg gar nicht paßten. 
29. März. (Preußen.) Der Ober-Präsident von Schlesien 
fordert als Einleitung zur staatlichen Amtsentsetzung desselben den 
Fürstbischof von Breslau auf, sein Amt freiwillig niederzulegen. 
31. März — 9. April. (Preußen.) Die Conferenz der preußi- 
schen Erzbischöfe und Bischöfe in Fulda beschießt eine Immediat- 
eingabe an den Kaiser, mit der Bitte, dem sog. Sperrgesetze als 
„einer Verletzung wohlerworbener Rechte und einer Quelle unsäglicher 
Trauer und Friede störender Verwirrung“ die allerh. Sanktion ver- 
sagen zu wollen, da es ihnen unmöglich sei, die von diesem Gesetze 
für die Fortdauer der Staatszuschüsse geforderte Erklärung „unbe- 
dingter“ Befolgung der staatlichen Gesetze abzugeben. Die vom 9. 
April datirte Antwort des preußischen Staatsministeriums auf die 
Eingabe lautet im Auftrag des Kaisers:
	        
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