Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

642 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
Bedeutung; dies Recht kann also auch vor Ablauf der Frist zu jeder Zeit 
geltend gemacht werden (695). Dagegen ist sie für das Recht des Verwahrers, 
die Rücknahme der Sache zu fordern, maßgebend; doch ist sie auch nach dieser 
Richtung hin nicht schlechthin verbindlich; vielmehr kann der Verwahrer die 
Rücknahme schon vor Ablauf der Frist zu jeder Zeit verlangen, wenn ihm ein 
wichtiger Grund — etwa die Notwendigkeit, seine Lagerräume auszubessern — 
zur Seite steht (6960). 
VI. 1. Wenn vertretbare Sachen hinterlegt werden, wird nicht selten 
ausgemacht, daß das Eigentum der Sachen auf den Verwahrer übergeht und 
dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge, nicht 
aber gerade die bei ihm hinterlegten individuellen Stücke zurückzugewähren 
(Summenverwahrungsvertrag, depositum irregulare). 
a) Bei diesem Vertrage braucht der Verwahrer die hinterlegten indivi- 
duellen Stücke überhaupt nicht aufzuheben, sondern kann sie verbrauchen oder 
veräußern. Seine Rechtsstellung ist also unvergleichlich freier als die eines 
gewöhnlichen Verwahrers. Demgemäß ist die Rechtsstellung des Hinterlegers 
eine ungünstige; namentlich fehlt ihm im Konkurse des Verwahrers ein Aus- 
sonderungsrecht, selbst wenn die hinterlegten individuellen Stücke noch in der 
Konkursmasse vorhanden sind. Andrerseits hat auch der Verwahrer einen 
Nachteil, der Hinterleger einen Vorteil: ersterer wird von seiner Rück- 
gewährungspflicht nicht frei, wenn die hinterlegten Stücke durch einen Zufall 
bei ihm verloren gehn (279). 
b) Hiernach ist der Summenverwahrungsvertrag juristisch als ein Darlehn 
aufzufassen.3 Doch ist er eine besondre Art des Darlehns. Er ist nämlich da- 
durch ausgezeichnet, daß der Darlehnsempfänger gleichsam den Wert der Darlehns- 
sachen für den Darlehnsgeber verwahren, d. h. zu dessen Verfügung halten muß. 
a) Demgemäß unterwirft das Gesetz den Summenverwahrungsvertrag den 
Regeln des Darlehns mit der Maßgabe, daß die Zeit der Rückgabe nach den 
Vorschriften über den Verwahrungsvertrag zu bestimmen ist (700 1 Satz 1, 3); 
der Hinterleger braucht also, wenn er die Rückgabe der hinterlegten Werte fordern 
will, nicht erst unter Einhaltung einer gesetzlichen Frist zu kündigen, sondern 
kann auf sofortiger Rückgabe bestehn. Doch soll diese Regel nur „im Zweifel“ 
gelten; die vertragsmäßige Festsetzung von Kündigungs= und Rückzahlungs- 
fristen soll also dem Wesen eines Summenverwahrungsvertrages nicht wider- 
sprechen; in der Tat kommen kurze (zweitägige, einwöchige) Kündigungsfristen 
beim Summenverwahrungsvertrage nicht selten vor. 
5) Auch der Ort der Rückgabe wird im Zweifel nicht nach den Regeln vom 
Darlehn, sondern vom Verwahrungsvertrage bestimmt (700 1 Satz 3):; der 
Hinterleger muß also, wenn es sich um die Hinterlegung von Geld handelt, 
das Geld holen. 
3) Abw. Crome 2 § 2771.
	        
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