§ 155. Geschäftsbesorgung ohne Auftrag. 647
Seine Pflichten und Rechte gelten alsdann nicht gegenüber dem vermeintlichen,
sondern gegenüber dem wirklichen Geschäftsherrn (686).
Beispiel. A., der eben einen Weinberg gekauft hat, glaubt, auf dem anstoßenden, wie
er meint, dem B. gehörigen Weinberge einen Reblausherd zu entdecken, und bestellt Arbeiter,
um die kranken Weinstöcke zu vernichten, sowohl im Interesse des B. wie im eignen In-
teresse; nachträglich stellt sich heraus, daß der Weinberg dem C. gehört. Hier liegt eine
Geschäftsführung gegenüber C. vor.
4. a) Die auftraglose Geschäftsführung stellt keinen Vertrag dar und
unterscheidet sich dadurch von den meisten in den vorausgehenden Paragraphen
besprochenen Rechtsvorgängen auffällig. Ja, sie ist überhaupt kein Rechts-
geschäft.ä Denn es gibt Fälle, in denen der auftraglose Geschäftsführer irgend-
eine Rechtswirkung zu begründen durchaus nicht beabsichtigt, weder zum Vor-
teil des Geschäftsherrn noch zum eignen Vorteil.
Beispiel. Frau A. läßt die Wäsche des bei ihr zum Besuch weilenden Kadetten B.
waschen, ohne B. oder dessen Eltern gefragt zu haben. Hier liegt sicher kein Rechtsgeschäft
und doch auftraglose Geschäftsführung vor.
b) Dennoch wird die auftraglose Geschäftsführung einem Rechtsgeschäft
insofern gleichgestellt, als sie den Geschäftsführer bloß dann verpflichtet, wenn
er unbeschränkt geschäftsfähig ist; andernfalls haftet er nicht als Geschäfts-
führer, sondern höchstens wegen Delikts oder wegen ungerechtfertigter Bereiche-
rung (682). Dagegen ist die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsherrn gleich-
gültig; nur insoweit, als der Wille des Geschäftsherrn berücksichtigt werden
muß, ist, wenn der Geschäftsherr bloß beschränkt geschäftsfähig oder gar ge-
schäftsunfähig ist, nicht sein eigner, sondern der Wille seines Gewalthabers
maßgebend.
5. Die Geschäftsführung ohne Auftrag wird vom Gesetzgeber sehr begünstigt, obschon
sie ein rechtloser Eingriff in eine fremde Vermögenssphäre ist und deshalb einem Delikt
sehr nahe kommt. Der Grund hiefür ist ein zweifacher. Erstlich handelt der Geschäftsführer
(ausschließlich oder nebenbei) im Interesse des Geschäftsherrn, mag also wegen seiner guten
Absicht subjektiv eine schonende Behandlung verdienen. Zweitens ist in Notfällen die auf-
traglose Geschäftsführung gar nicht zu entbehren; deshalb verdient sie auch objektiv die Gunst
des Gesetzgebers. Und zwar kann der Gesetzgeber seine Gunst sogar solchen Geschäftsführungen
nicht versagen, die dem Geschäftsherrn sehr unlieb sind. Würden doch andernfalls auch viele
dem Geschäftsherrn tatsächlich höchst erwünschte Geschäftsführungen einfach unterlassen werden;
denn nur selten kann der Geschäftsführer im voraus mit voller Sicherheit feststellen, ob seine
Hülfe dem Geschäftsherrn willkommen sein wird oder nicht.
II. 1. a) Der Geschäftsführer hat, wenn er einmal die Interessen des
Geschäftsherrn wahrnehmen will, dies mit aller Sorgfalt zu tun, gerade so als
ob er zu der Geschäftsbesorgung durch einen Dienstvertrag verpflichtet wäre
(677). Allerdings kann der Geschäftsherr dies nicht positiv verlangen; er kann
insbesondre nicht fordern, daß der Geschäftsführer das einmal begonnene Ge-
schäft bis zu Ende durchführe.“ Wohl aber hat er, wenn der Geschäfts-
führer die gebührende Sorgfalt außer Augen läßt, einen Anspruch auf vollen
Schadensersatz.
3) Isay S. 105. Abw. Endemann § 1785.
4) RG. 63 S. 284. Abw. Isay S. 126.