Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

658 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
2. Die Bürgschaft unterscheidet sich von allen bisher besprochenen Ver- 
trägen deutlich durch ihren akzessorischen Charakter: sie setzt voraus, daß außer 
der in der Person des Bürgen begründeten Bürgschaftsschuld noch eine zweite 
in der Person des Hauptschuldners begründete „Hauptschuld“ besteht. Zweck 
der Bürgschaftsschuld ist lediglich die Sicherung der Hauptschuld. Demgemäß 
ist die Bürgschaftsschuld von der Hauptschuld rechtlich abhängig. 
II. 1. Eine Bürgschaft kann für Verpflichtungen aller Art, fällige wie 
betagte, unbedingte wie bedingte, übernommen werden (765 11). 
2. Die Hauptschuld kann zu der Zeit, da der Bürgschaftsvertrag abge- 
schlossen wird, längst begründet sein. Nicht selten wird aber Hauptschuld und 
Bürgschaftsschuld auch gleichzeitig (vielleicht sogar in einem einheitlichen Ver- 
trage, an dem alsdann drei Vertragsparteien, Gläubiger, Hauptschuldner und 
Bürge, teilnehmen) begründct. Schließlich kann die Begründung der Haupt- 
schuld auch dem Abschluß des Bürgschaftsvertrages nachfolgen: Bürgschaft für 
„zukünftige“ Hauptschulden (765 11).2 
Beispiel. A. verbürgt sich für alle Verpflichtungen, die B. binnen der nächsten 3 Jahre 
in seinem geschäftlichen Verkehr mit C. gegen letzteren eingehn wird. 
III. 1. a) Die Bürgschaft ist ein Vertrag, nicht etwa eine einseitige Willens- 
erklärung des Bürgen. Sie bedarf also der Annahme seitens des Gläubigers 
(s. aber 328). 
b) Dagegen ist eine Annahme seitens des Hauptschuldners nicht erforder- 
lich. Sogar, daß er der Bürgschaftsübernahme widerspricht, schadet nichts. 
2. a) Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages wird eine schriftliche Er- 
klärung des Bürgen gefordert; der Mangel der Schriftform wird aber dadurch 
geheilt, daß der Bürge die Hauptschuld freiwillig erfüllt (766).3 Sonach kann 
der Bürge das von ihm Geleistete selbst dann nicht zurückfordern, wenn er 
zur Zeit der Leistung seine Bürgschaft in Unkenntnis ihres Formmangels für 
vollgültig erachtet hatte. 
Der Grund der Formvorschrift ist, daß mündliche Bürgschaften sehr oft in unvor- 
sichtiger Ubereilung übernommen werden und daß es überaus häufig bei bloß mündlichem 
„Gutsagen“ sehr schwer zu entscheiden ist, ob der angebliche Bürge sich wirklich hat binden 
und nicht vielmehr den Hauptschuldner bloß unverbindlich hat empfehlen wollen. 
b) Die Annahmeerklärung des Gläubigers kann formlos gegeben werden. 
IV. Die Bürgschaft kann von Bürge und Gläubiger als gegenseitiger 
Vertrag abgeschlossen werden, etwa in der Art, daß der Gläubiger dem Bürgen 
als Entgelt für seine Bürgschaftsübernahme eine Provision zusagt. Weit 
häufiger bildet sie aber einen rein einseitigen Vertrag: sie verpflichtet nur den 
Bürgen, nicht den Gläubiger. Dies gilt auch dann, wenn die Hauptschuld 
auf einem gegenseitigen Vertrage beruht; allerdings liegen in diesem Fall dem 
Gläubiger Pflichten ob, aber nicht gegenüber dem Bürgen, sondern nur gegen- 
über dem Hauptschuldner; der Bürge kann demgemäß auf Erfüllung dieser 
2) Siehe RG. 68 S. 303. 3) RG. 59 S. 42, 70 S. 411, 71 S. 114.
	        
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