50 Buch I. Abschnitt 1. Die Rechtsregeln.
aus denen der Vertrag besteht — das Gebot des E., die Vollmacht des D. auf seine Frau,
die Annahmeerklärung der Frau D. — ist getrennt für sich nach dem Recht seiner Zeit,
also wenn er vor dem 1. Januar 00 vorgenommen ist, nach dem preußischen Landrecht,
andernfalls nach dem BGB. zu beurteilen. Nun differieren beide Gesetzbücher in Ansehung.
unfres Falls wie folgt: das preußische Landrecht schreibt für die Vollmacht und für den
Grundstücksverkauf Schriftlichkeit vor; das BGB. ist dagegen mit Bezug auf die Vollmacht
milder, mit Bezug auf den Grundstücksverkauf strenger, indem es bei jenem Mündlichkeit
genügen läßt, bei diesem gerichtliche oder notarielle Beurkundung vorschreibt (167 II, 313).
Demnach sind vier verschiedne Fälle zu unterscheiden. 1. Alle drei Akte sind noch im
Jahr 99 vorgenommen. Hier ist der Verkauf ungültig, weil die Vollmacht D.s nicht form-
gerecht erteilt war. 2. Das Gebot E.## und die Vollmacht Des fällt ins Jahr 99, die Annahme-
erklärung der Frau D. ins Jahr 00. Hier ist der Verkauf gleichfalls ungültig" und zwar
aus demselben Grunde wie zu 1. 3. Das Gebot GE.s fällt ins Jahr 99, die Vollmacht D.S.
und die Annahmeerklärung der Frau D. ins Jahr 00. Hier ist der Verkauf gültig; denn
jeder für sein Zustandekommen wesentliche Rechtsakt genügt den zur Zeit der Vornahme
des Akts geltenden Formvorschriften. 4. Alle drei Akte fallen ins Jahr 00. Hier ist der
Verkauf wieder ungültig, weil das Gebot E.s nicht formgerecht erteilt war. II. F. in
Halberstadt hat Ende Dezember 99 sein edles Reitpferd dem G. ebenda schriftlich zum Kauf
angeboten, und G. hat das Angebot am 2. Januar 00 rechtzeitig angenommen; am 31. De-
zember 99 hat aber das Pferd, ohne daß eine der Parteien es erfuhr und ohne daß eine
der Parteien es verschuldete, einen Unfall erlitten, infolgedessen es eine häßliche Narbe
trägt; G. läßt deshalb das Pferd, als es ihm am 3. Januar 00 zugeführt wird, nur unter
Protest in seinen Stall führen und verlangt Preisminderung; F. besteht dagegen auf
Bezahlung des vollen Preises. Hier ist das Angebot F. nach preußischem Landrecht, die
Annahme G.5s#nach dem BGB. zu beurteilen. Beide Gesepzbücher differieren aber wesentlich
voneinander, indem das erstere den Anspruch des G. auf Preisminderung, das letztere
(481, 482 I, 487 1I) umgekehrt den Anspruch des F. auf Bezahlung des vollen Kauspreises.
für gerechtfertigt erklärt. Nun gründet sich aber sowohl der Anspruch F.s wie der G.3
sowohl auf das Angebot F.s wie auf die Annahmeerklärung G.8s; beide sind also hinfällig,
wenn auch nur eine dieser Stützen versagt. Demgemäß kann weder F. noch G. seinen
Anspruch durchsetzen, F. nicht, weil ihm sein eignes nach preußischem Landrecht zu beur-
teilendes Angebot, G. nicht, weil ihn seine eigne nach dem BGB. zu beurteilende Annahme-
erklärung im Stich läßt. Ergebnis: der ganze Kauf ist unwirksam;" G. behält seinen.
Kaufpreis vollständig, muß aber das Pferd dem F. zurückgeben.
2. Unser Prinzip des intertemporalen hat gerade ebenso wie unser Prinzip
des internationalen Privatrechts eine allgemeine authentische Anerkennung durch.
Gesetz oder Gewohnheit bisher noch nicht gefunden. Ebensowenig läßt es sich
im Wege der Analogie aus den weiter unten zu III zu erwähnenden durch Gesetz
oder Gewohnheit festgelegten Spezialregeln ableiten; denn wenn schon eine
große Gruppe dieser Regeln mit unserm Prinzip übereinstimmt, steht eine andre
Gruppe in mehr oder minder scharfem Widerspruch zu ihm, und es ist nicht
einzusehn, warum man gerade die erste Gruppe zu gunsten und nicht vielmehr
die zweite Gruppe zu ungunsten unfres Prinzips verwerten soll. Seine ein-
zige Stütze ist vielmehr das Bedürfnis des Rechtslebens.
Gründe. I. Ein neues Gesetz kann unmöglich die Absicht haben, dem Publikum, das
ihm untertan ist, eine Falle zu stellen, und muß deshalb mit dem Umstande rechnen, daß.
das Publikum sein Verhalten nicht irgendeinem ungewissen Zukunftsrecht, sondern nur dem
4) Abw. Habicht S. 137, Affolter S. 99.
5) Abw. Niedner Anm. II, 2 a & zu E. 170.
6) Abw. Affolter S. 127 1. 7) Siehe oben § 8.