Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

664 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
auf den Bürgen übergeht. 160 Wenn er also sein Forderungsrecht willkürlich 
verschlechtert, indem er Pfand-oder Vorzugsrechte, die mit ihm verbunden sind, 
oder Ansprüche gegen Mitbürgen preisgibt, so tut er es auf eigne Gefahr: 
der Bürge wird von seiner Haftung insoweit befreit, als er aus dem auf- 
gegebenen Recht gemäß den Regeln zu a, b hätte Ersatz finden können; gleich- 
gültig ist, ob das vom Gläubiger aufgegebene Recht bereits zur Zeit der 
Bürgschaftsübernahme bestand oder erst später begründet ist (776). 
Beispiel. A. ist unter B.5 Bürgschaft an C. 10000 Mk. schuldig geworden; nach- 
träglich bestellt A. zwecks weiterer Sicherung seiner Schuld dem C. eine Hypothek, die aber 
nur einen Wert von 3000 Mk. hat;: schließlich verzichtet C. wieder auf die Hypothek. Damit 
ist B., obschon er von der Bestellung und Wiederaufhebung der Hypothek vielleicht gar nichts 
ersahren hat, in Höhe von 3000 Mk. befreit. 
2. Rückgriffsberechtigt ist der Bürge erst, wenn er den Gläubiger wirk- 
lich befriedigt hat, also gleichsam postnumerando. Unter Umständen kann der 
Bürge aber schon vorher gegen den Hauptschuldner vorgehn, nämlich die Be- 
freiung von der Bürgschaftsschuld (also die Beseitigung des ihm drohenden 
Risikos, von dem Gläubiger in Anspruch genommen zu werden) fordern. Doch 
hat der Bürge dies Recht nur, wenn er von dem Hauptschuldner zur Über- 
nahme der Bürgschaft beauftragt war oder wenn er nach den für die auftrag- 
lose Geschäftsführung geltenden Regeln die Befugnisse eines vertragsmäßig 
bestellten Geschäftsführers des Hauptschuldners hat; das Recht fehlt ihm also, 
wenn er die Bürgschaft gegen den mutmaßlichen Willen des Hauptschuldners 
übernahm oder wenn er bei der Bürgschaftsübernahme die Absicht hatte, dem 
Hauptschuldner den Gegenstand seiner Verpflichtung zu schenken. Das Recht 
auf Befreiung greift aber erst Platz, wenn das Risiko, das zur Zeit der Bürg- 
schaftsübernahme noch ein entferntes war, dringlich wird, nämlich: 1. wenn 
die Hauptforderung fällig ist und der Hauptschuldner entweder in Verzug ge- 
raten ist oder ein vollstreckbares Urteil gegen ihn vorliegt, 2. vor Fälligkeit 
der Hauptforderung, wenn sich die Verhältnisse des Hauptschuldners wesentlich 
verschlechtert haben oder die Rechtsverfolgung gegen ihn infolge einer nach der 
Bürgschaftsübernahme eingetretenen Anderung seines Wohnsitzes (Gewerbe- 
besitzes, Aufenthaltsorts) wesentlich erschwert ist (775 I). 
Ist die Hauptschuld noch nicht fällig, so kann der Hauptschuldner dem Bürgen, statt 
ihn zu befreien, Sicherheit bestellen (775 I). 
3. Einen Anspruch auf Belohnung hat der Bürge nach Maßgabe der 
allgemeinen Regeln, also nur im Fall ausdrücklicher oder stillschweigender 
Vereinbarung. 
VI. 1. Verbürgen sich mehrere Bürgen für die nämliche Verbindlichkeit, 
so haften sie als Gesamtschuldner, auch wenn sie die Bürgschaft nicht gemein- 
schaftlich, sondern etwa durch mehrere selbständige aufeinander folgende Ver- 
träge übernehmen (769). 17 
16) Siehe R. 65 S. 137, 306. 
17) Kremer, Mitbürgschaft (00); Tacken, Ausgleichungsanspruch der Mitbürgen (08).
	        
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