Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

670 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
2. Ber Anerkenntnisvertrag. 
8 161. 
I. 1. Der Anerkenntnisvertrag steht dem Vergleich dadurch nahe, 
daß er die vertragsmäßige Ordnung eines als bestehend vorausgesetzten Rechts- 
verhältnisses bezweckt. Er unterscheidet sich aber vom Vergleich dadurch, 
a) daß er angeblich die bestehenden Rechtsverhältnisse nicht ändern, sondern 
bloß bestätigen will, während der Vergleich überaus häufig an Stelle der bis- 
herigen ausgesprochnermaßen völlig neue Rechtsverhältnisse setzt, 
b) daß er weder Streitigkeit oder Ungewißheit des zu ordnenden Rechts- 
verhältnisses noch ein beiderseitiges Nachgeben der Vertragsparteien erfordert. 
Doch bedingen diese beiden Unterschiede keinen eigentlichen Gegensatz zwischen Aner- 
kenntnisvertrag und Vergleich. Vielmehr kann im Einzelfall ein und derselbe Vertrag zu- 
gleich Anerkenntnis und Vergleich sein. Beispiel: A. erkennt die vormals bestrittene Dar- 
lehnsforderung des B., B. erkennt dagegen die gleichfalls früher bestrittene Kaufpreisforderung 
des A. an, beides in einem Vertrage. 
2. Durchaus verschieden von dem Anerkenntnisvertrage ist das Geständ- 
nis. Denn dieses vermag die Rechtsverhältnisse der Parteien nicht materiell 
zu ordnen, sondern höchstens Beweismittel für sie zu schaffen. Auch betrifft 
das Geständnis nur Tatsachen, nicht aber Rechtsverhältnisse. Endlich führt 
das Geständnis die ihm eignen Rechtswirkungen auch dann herbei, wenn es 
nicht in verpflichtender Absicht gegeben und von der Gegenpartei nicht ange- 
nommen ist; es ist also kein Rechtsgeschäft, geschweige denn ein Vertrag; da- 
gegen wird das Anerkenntnis nur als Vertrag wirksam. 
II. Über den Gegenstand des Anerkenntnisvertrages gelten die nämlichen 
Regeln wie beim Vergleich. 
III. 1. Der Abschluß des Anerkenntnisvertrages ist, anders als der des 
Vergleichs, formalisiert. Er bedarf nämlich zur Gültigkeit einer schriftlichen 
Erklärung der anerkennenden Partei (781). Doch gilt diese Regel nur mit 
folgenden Beschränkungen. 
a) Sie gilt nur, wenn ein „Schuldverhältnis“ anerkannt wird, also nicht, 
wenn etwa ein Gläubiger das Vorhandensein eines seiner Forderung entgegen- 
stehenden Einwandes anerkennt. 
b) Sie versagt auch bei dem Anerkenntnis eines Schuldverhältnisses, wenn 
das Anerkenntnis im Wege eines Vergleichs oder auf Grund einer Abrechnung 
erteilt wird (782).: 
Daß diese Voraussetzung zutrifft, muß im Streitfall der Gläubiger beweisen. So selbst 
dann, wenn der Schuldner bei seinem Anerkenntnis auf Vergleich oder Abrechnung ausdrück- 
lich Bezug genommen hat; denn diese Bezugnahme ist höchstens ein Geständnis, nicht aber, 
eben weil die Schriftform fehlt, ein gültiges Anerkenntnis, nimmt also dem Gläubiger die 
Beweislast nicht ab. — Die „Abrechnung“ setzt voraus, daß beide Parteien ernstlich an- 
nehmen, es bestehe zwischen ihnen eine Mehrheit gleichartiger Schuldbeziehungen, und daß 
1) RG. 71 S. 102. Regelsberger, Jahrb. f. Dogm. 46 S. 1. 
 
	        
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