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sie diese Mehrheit rechnungsmäßig (durch Zusammenzählen, Abziehn usw.) auf eine Einheit
zurückführen. Ein freies „Abschätzen“ ist von einem „Abrechnen“ jedenfalls verschieden.
c) Wenn ein Schuldverhältnis zu seiner Neubegründung einer strengeren
Form als der Schriftform bedarf, gilt das gleiche Formerfordernis auch dann,
wenn das Schuldverhältnis als bereits bestehend anerkannt wird. Insbesondre
kann die Verpflichtung aus einem Schenkungsversprechen nur durch gerichtliche
oder notarielle Urkunde anerkannt werden (781 Satz 2).
Die Formvorschriften zu 1 sind wohl begründet. Denn da der Beweis der tatsäch-
lichen Unrichtigkeit des Anerkenninisses ausgeschlossen ist, kann der Anerkenntnisvertrag dem
Anerkennenden höchst gefährlich werden. Dies um so mehr, als gegenüber einem Geständnis
der Beweis der Unrichtigkeit statthaft ist, und unser Volk die feine Unterscheidung von Ge-
ständnis und Anerkenntnis keineswegs richtig zu würdigen weiß. So ist es also heilsam,
daß das Gesetz durch seine Formvorschrift den Abschluß von Anerkenntnisverträgen
erschwert.
2. Die Annahme des Anerkenntnisses durch die Gegenpartei kann formlos
geschehn. Meist wird sie stillschweigend abgegeben.
IV. 1. Der Anerkenntnisvertrag ist bald ein einseitiger, bald ein gegen-
seitiger Vertrag.
2. Der Anerkenntnisvertrag gibt vor, die Rechtsverhältnisse der Parteien
nur zu bestätigen, nicht abzuändern. In Wirklichkeit geht er aber über diesen
bescheidenen Inhalt häufig weit hinaus und erstrebt, gerade wie der Vergleich,
eine Neuordnung der beiderseitigen Rechtsverhältnisse; zu diesem Behuf ändert
er trotz seiner konservativen Maske die bestehenden Rechtsverhältnisse nach Gut-
dünken ab und begründet sogar völlig neue Rechte und Verbindlichkeiten. Dem-
gemäß ist gegen den Anerkenntnisvertrag der Einwand, das Anerkenntnis sei
unwahr, die beiderseitigen Rechtsverhältnisse seien in Wirklichkeit von ganz
andrer Art, als das Anerkenntnis besage, gerade ebenso ausgeschlossen wie beim
Vergleich der Einwand der Unrichtigkeit oder Unbilligkeit. 2
Tatsächlich sind Verträge, die ein wahrheitswidriges Anerkenntnis enthalten, sehr häufig.
Das ist auch leicht begreiflich. Denn die Wahrheit zu bekennen, kann für die Parteien an-
stößig oder unbequem sein. So pflegen die Parteien z. B. eine verwickelte Geldverpflichtung,
die aus einem Kauf, einem Gesellschaftsverhältnis, einem Vermächtnis, einer strafbaren
Handlung entspringt, als Darlehnsschuld anzuerkennen, weil sie sie damit wesentlich ver-
einfachen (s. 607 II). 5
3. Demnach sind die Rechtsverhältnisse der Parteien fortab ausschließlich
nach dem Inhalt des Anerkenntnisses zu beurteilen. Nur soweit das Aner-
kenntnis Lücken enthält, kann auch auf den frühern Bestand der anerkannten
Rechtsverhältnisse zurückgegriffen werden; daß dies unzulässig sei, weil das
Anerkenntnis „novatorisch“ wirke, d. h. das frühere Rechtsverhältnis vollständig
zerstöre, ist ebensowenig anzunehmen wie beim Vergleich.
4. Der Anerkenntnisvertrag kann wie jeder andre Vertrag wegen Irr-
tums, Zwanges usw. angefochten werden. Auch kann er wegen ungerecht-
fertigter Bereicherung des (angeblichen) Gläubigers in gleicher Art rückgängig
2) R. 57 S. 322. 3) Klemperer bei Gruchot 43 S. 567.