674 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
gegen darf nicht als weitere Ausnahme die Abtretung einer Forderung oder der Erlaß einer
Schuld angeführt werden; denn hier handelt es sich nicht um Schuldverträge, sondern um
Verfügungen von gleicher Art wie die Ubereignung, Nießbrauchsbestellung usw.
Die Formvorschrift zu 2 ist ähnlich zu rechtfertigen wie die nämliche Formvorschrift
beim Anerkenntnisvertrage: das Publikum hat für die Gefahren, mit denen der abstrakte Schuld-
vertrag den Schuldner bedroht, nur geringes Verständnis und soll deshalb durch den Schrift-
zwang vor Ubereilung bewahrt werden.
IV. 1. Der abstrakte Schuldvertrag ist stets ein einseitiger Vertrag.
Allerdings kann der Schuldner die ihm obliegenden Leistungen von Gegenleistungen
des Gläubigers abhängig machen, indem er sich nur unter der Bedingung verpflichtet, daß
der Gläubiger solche Gegenleistungen vollzieht, und kann alsdann, falls Leistung und Gegen-
leistung Zug um Zug erfolgen sollen, seine Leistung so lange verweigern, als der Gläubiger
die Gegenleistung verzögert. Allein ein positives Recht auf die Gegenleistungen kann er
sich nicht ausbedingen; das würde dem Wesen des abstrakten Schuldvertrages widersprechen;
denn mit der Festsetzung der Gegenleistung wäre ja zugleich der Schuldgrund der andern
Leistung festgesetzt.
2. Die Rechte des Gläubigers ergeben sich aus dem Inhalt des Schuld-
vertrages. Dieser ist auszulegen wie jeder andre Vertrag, also so, wie Trenu
und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern.“
3. Kann der Schuldner sich nicht wenigstens einwandweise auf den Schuld-
grund berufen, dem sein Versprechen entspringt?
a) Die Frage ist unbedingt zu bejahn, soweit es sich um zwingende
Rechtssätze handelt; denn die Parteien können die Anwendung dieser Rechts-
sätze nicht dadurch umgehn, daß sie das Schuldversprechen von seinem Schuld-
grunde ablösen. Demgemäß kann sich der Schuldner darauf berufen, daß der
Schuldvertrag bei Berücksichtigung seines Schuldgrundes als unsittlich oder
wucherisch erscheint, daß er eine Spielschuld betrifft, daß er ein formloses
Schenkungsversprechen enthält usw. (s. 762 II, 518 1 Satz 2).“
b) Im übrigen hängt die Antwort auf die Frage von der Parteiverein-
barung ab.5 Die Parteien können also ausmachen, daß der Schuldgrund zwar
von dem angreifenden Gläubiger nicht berücksichtigt werden muß, wohl aber
von dem sich verteidigenden Schuldner berücksichtigt werden darf. Die Par-
teien können aber ebensogut dem Schuldner auch etwaige Einwendungen aus
dem Schuldgrunde abschneiden. Im Zweifel wird man den Schuldvertrag
im Sinn der erstern, dem Schuldner günstigern Meinung auslegen.
Beispiel. A. hat dem B. „1000 Mk. am 1. April 1912“ versprochen. Hier kann N.
einwenden, der Schuldgrund dieses Versprechens sei, daß B. ihm für den 1. April 1909 ein
Darlehn von 950 Mk. versprochen habe:; B. habe aber dies Versprechen nie gehalten; damit
sei auch sein eignes Schuldversprechen trotz dessen Abstraktheit unverbindlich.
Abzulehnen ist die Auffassung, daß der Schuldner, der sich auf den Schuldgrund be-
ruft, damit den abstrakten Schuldvertrag gleichsam rückgängig mache und daß er hierzu nur
berechtigt sei, wenn der Gläubiger andernfalls rechtlos bereichert werden würde."“ Das BG.
unterstützt diese Auffassung durchaus nicht.7
Wird dem Schuldner die Befugnis abgeschnitten, sich einwandweise auf den Schuld-
3) Abw. Endemann 1 § 1948. 4) Vgl. aber v. Tuhr a. a. O. S. 5.
5) Vgl. RG. 67 S. 129.
6) So RG. 57 S. 323; Endemann 1 § 194 1½; v. Tuhr S. 17.
7) Rümelin S. 343. «