676 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
a) Bei den gewöhnlichen Delikten geschieht die Schädigung dadurch, daß
der Urheber des Delikts gewisse besonders befriedete Rechtsgüter eines andern
verletzt. Als solche Rechtsgüter macht das Gesetz namhaft: einerseits Leben,
Körper, Gesundheit, Freiheit, andrerseits das Eigentum und die sonstigen Rechte
(823 1). Der Bereich der gewöhnlichen Delikte fällt also mit dem Bereich
eben dieser Rechtsgüter zusammen. Er ist demnach klar umgrenzt, soweit es
sich um eine Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigen-
tum handelt. Dagegen ist seine Umgrenzung undeutlich, sobald die Verletzung
eines „sonstigen Rechts“ in Frage steht.
a) Zu den „sonstigen Rechten“ gehören zunächst alle dinglichen Rechte
außer dem Eigentum, also namentlich Hypotheken, Dienstbarkeiten, nachbar-
rechtliche Befugnisse, Besitzrecht 3 usw.
6) Zu den „sonstigen Rechten“ gehören aber, obschon die unbedingt
herrschende Meinung 4, das Gegenteil annimmt, zweifellos auch die Forderungs-
rechte; denn das Gesetz nimmt sie nicht ausdrücklich aus, und es ist undenkbar,
daß dies ein bloßer Redaktionsfehler des Gesetzgebers sein sollte. Demnach kann
auch die Verletzung eines Forderungsrechts sehr wohl ein gewöhnliches Delikt sein.
Doch ist die Frage belanglos, wenn es sich um eine Verletzung des Forderungs-
rechts handelt, die gerade von dem durch die Forderung persönlich gebundenen
Schuldner verübt ist; denn für diesen Fall hat das Gesetz besondre Rechtsregeln
aufgestellt, neben denen für die Anwendung der für die gewöhnlichen Delikte gel-
tenden Regeln kein Raum ist (s. unten S. 688 VI, 1). Dagegen ist die Frage
von großer rechtlicher Bedeutung, wenn ein Forderungsrecht von einem Dritten
verletzt wird; die Behauptung, daß das unmöglich sei, weil das Forderungsrecht
nur relativ zwischen Gläubiger und Schuldner wirke, ist nicht zu billigen.
) Zu den „sonstigen Rechten“ gehören weiter auch die sogenannten
Persönlichkeitsrechte, jedoch nur so weit, als sie von der geltenden Rechtsordnung
wirklich zu echten Privatrechten erhoben sind, also etwa das Recht jeder Person
an ihrem Namen, nicht aber auch ihr sogenanntes Recht auf Achtung ihrer
Ehre, auf Schonung ihrer Geheimnisse, auf Nichtbeeinträchtigung ihres Ge-
schäftsbetriebes. Mit dieser Beschränkung kann also auch die Verletzung eines
„Persönlichkeitsrechts“ ein gewöhnliches Delikt darstellen.?
) Dagegen ist zu den „sonstigen Rechten“ nicht das Vermögen einer
Person als Ganzes zu rechnen. 10 Demnach gehört es nicht zu den gewöhn-
2) R. 60 S. 140. 3) RG. 59 S. 326. 4) RG. 57 S. 353, 59 S. 327.
5) O. Chr. Fischer, Verletzung des Gläubigerrechts als unerlaubte Handlung (05);
Prym S. 21.
6) v. Liszt S. 21: Crome § 325 Nr. II, 40; abw. Prym S. 23; Ortmann Anm.
348 zu 823.
7) RG. 51 S. 369, 60 S. 5.
8) Vgl. Endemann 1 § 200 24; Riezler, Arch. f. BR. 27 S. 246.
9) RG. 64 S. 55, 65 S. 211. Abw. RG. 56 S. 275, 58 S. 27.
10) RG. 62 S. 317.