682 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen.
2. Demgemäß sind auch die Strafausschließungs= und Strafbefreiungs-
gründe keineswegs allgemein auf das Deliktrecht zu übertragen; insbesondre
gelten Unerwachsene im Alter von acht bis zwölf Jahren zwar strafrechtlich,
nicht aber deliktrechtlich als unzurechnungsfähig; der Notstand von Str G. 54
befreit von Strafe, nicht aber von deliktrechtlicher Verantwortlichkeit usw.
Nur, wenn eine Handlung bloß deshalb ein Delikt ist, weil sie einem Strafgesetz zu-
widerläuft, kommen die strafrechtlichen Regeln auf sie auch dann zur Anwendung, wenn der
Täter für sie deliktrechtlich haftbar gemacht wird. Deshalb kann z. B. eine von einem elf-
jährigen Knaben begangene fahrlässige Körperverletzung (823 1), nicht aber eine von ihm
verübte Beleidigung (823 II) Delikt sein.
III. Die Delikte können entweder positive Handlungen oder bloße Unter-
lassungen sein. :
Beispiel. Die A. ist als Amme zu sofortigem Dienstantritt für ein schwächliches Kind
gedungen, tritt aber, weil sie inzwischen einen Streit mit ihrem Bräutigam hat, und darüber
alles andre vergißt, ihre Stellung zu spät an; die Folge ist, daß das Kind an Schwäche
stirbt. Hier ist die A. einer fahrlässigen Tötung schuldig.
IV. Die Delikte können nur von zurechnungsfähigen Personen begangen
werden (s. oben S. 304, 4 und unten S. 698).
V. Daß ich den vom Gesetz gebrauchten Ausdruck „unerlaubte Handlung“ verwerfe und
ihm den Ausdruck „Delikt“, obschon er ein Fremdwort ist, vorziehe, hat seinen Grund darin,
daß er viel zu lang ist und jeder Elastizität mangelt. So klingt es einfach und klar, wenn
man sagt: ein von einem sechsjährigen Kinde verübter Diebstahl ist kein „Delikt“, während
es sich sehr sonderbar ausnimmt, wenn man sagen würde: jener Diebstahl ist „keine uner-
laubte“ oder gar eine „erlaubte Handlung“. Und wie will man die von Delikt abgeleiteten
Ausdrücke „Deliktschuldner“, „deliktmäßig“, „deliktähnlich“ usw. durch Ausdrücke ersetzen, die
von „unerlaubter Handlung“ abgeleitet sind?
b) Rechtswirkung.
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I. Jedes Delikt hat zur Folge, daß der Täter und unter Umständen auch
andre Personen neben ihm dem Verletzten Schadensersatz zu leisten haben
(823, 826)
1. a) Ersatzpflichtig ist immer der Täter. 1 Ist ein Delikt von mehreren
Personen gemeinschaftlich verübt, so haften sie alle als Gesamtschuldner (830 I
Satz 1). Ist der Täter zur Vornahme des Delikts von einem andern an-
gestiftet oder bei Vornahme des Delikts von einem andern unterstützt worden,
so haften Anstifter und Gehülfen neben ihm wie Mittäter (830 Il).
Beispiele. A. trägt dem B. auf, den C. zu vergiften: B. führt die Tat auch aus, in-
dem er sich das Gift von D. beschafft. Hier sind schadensersatzpflichtig A., B., und wenn
ihm eine Fahrlässigkeit zur Last sällt, auch D. Und zwar haften sie alle drei als Gesamt-
schuldner, obschon das Verschulden des D. unvergleichlich geringer ist als das der beiden
andern.
29) RG. 52 S. 370, 54 S. 54.
1) Rumpf, Teilnahme an unerl. Handlungen (04);: Hein, Anstiftung z. Vertragsbruch
(06); Crome, Jahrb. f. Dogm. 35 S. 100.