Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

686 Buch II. Abschnitt 2. Einzelne Arten der Forderungen. 
des Geschäftsführers aufheben oder milderen, also etwa auf ein mitwirkendes eignes Ver- 
schulden des Verletzten (254); fällt dem Geschäftsführer Arglist, dem Verletzten nur leichte 
Fahrlässigkeit zur Last, so wird der Geschäftsführer und also auch der Geschäftsherr nicht 
entlastet.!7o0 Siehe indeß unten S. 698, 1. 
b) Haben mehrere Personen Handlungen vorgenommen, die Delikte sein 
würden, wenn sie einen Schaden angerichtet hätten, und ist tatsächlich ein 
Schaden entstanden, der nur durch eine dieser Handlungen verursacht sein kann. 
so wird, solange sich nicht ermitteln läßt, durch welche der Handlungen der 
Schaden entstanden ist, fingiert, daß er durch alle jene Handlungen gemein- 
schaftlich verursacht ist (830 1I Satz 2). 11 
Beispiele. I. A., B. und C. kommen von der Jagd nach Hause; da fällt ein Schuß, 
der den in der Nähe befindlichen D. verletzt; nach Lage des Falls kann der Schuß nur aus 
der Büchse eines der drei Jäger erfolgt sein, und es wäre auch, hätten die drei alsbald 
gegenseitig ihre Büchsen nachgesehn, die Feststellung leicht gewesen, wer von ihnen der 
Schuldige war; doch ist eine solche Feststellung unterblieben, und selbst das ist unsicher, ob 
die drei ihre Büchsen nach Ende der Jagd vorschriftsmäßig gesichert hatten. Hier ist keiner 
der drei haftbar; denn es ist keinem von ihnen irgendein schuldhaftes oder unerlaubtes Ver- 
halten nachgewiesen. II. Die Wilddiebe E. und F. treiben sich, ohne etwas voneinander zu 
wissen, in einer Herbstnacht im Revier des Försters G. umher: beide werden von G. ent- 
deckt und geben auf der Flucht einen Schuß auf ihn ab; am nächsten Morgen wird G.3 
Leiche mit einer einzigen, aber unbedingt tödlichen Schußwunde, die zu den Kugeln der beiden Wild- 
diebe paßt, aufgefunden; außer den beiden von E. und F. abgegebenen sind in jener Nacht 
keine andern Schüsse in dem Revier gefallen. Hier sind sowohl E. wie F. als Mörder des 
G. anzusehn, obschon einer von beiden es sicher nicht ist. Denn auch derjenige von ihnen, 
der den G. nicht getrofsen und also auch nichts zu seinem Tode beigetragen hat, hat doch 
schon dadurch, daß er auf G. geschossen hat, eine unerlaubte schuldhafte Tat begangen, muß 
sich also, da die Tat eines jeden den Tod G.s zur Folge gehabt haben kann, die Fiktion 
der Urheberschoft an dem Tode gefallen lassen. 
Zu beachten ist, daß die vom Gesetzgeber für die Regel zu b aufgestellte Formel sehr 
viel eleganter als die von uns gegebene Formel ist. Dafür ist sie aber auch gänzlich un- 
verständlich; denn die schwierigen Voraussetzungen der Regel sind einfach fortgelassen. 
II. Bei allen Delikten kann der Verletzte, falls eine Fortsetzung oder 
Wiederholung des Delikts zu besorgen ist, von dem Deliktschuldner die Unter- 
lassung des Delikts für die Zukunft beanspruchen.?." Dagegen ist es zweifelhaft, 
ob ein solcher Anspruch auf Unterlassung auch schon dann gegeben ist, wenn 
nicht die Fortsetzung oder Wiederholung, sondern die erstmalige Begehung eines 
Delikts in der Zukunft droht. 
Beispiel. A. bereitet die Herausgabe einer Schrift vor, die schwere Verleumdungen des 
B. enthält, und hat in der Person des C. bereits einen Verleger dafür gewonnen. Kann 
hier A. im voraus gegen B. und C. auf Unterlassung klagen? Ich möchte die Frage be- 
jahn.“ 
III. Bei einigen Delikten kann der Verletzte von dem Täter statt des 
Schadensersatzes eine Buße fordern (StrGB. 188, 231 usw.). Es handelt 
10) Abw. RG. 71 S. 217. 
11) RG. 58 S. 359; Planck Anm. 2 zu § 830. Abw. v. Liszt S. 76; Crome § 338 
Nr. 2, anscheinend auch Ortmann Anm. 3 zu § 830. 
12) RG. 56 S. 286, 61 S. 370, 71 S. 85; Eltzbacher, Unterlassungsklage (06). 
13) Ebenso RG. 60 S. 6, 61 S. 370.
	        
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