§ 165. Täuschung als Delikt. Beamtendelikte. Gebäudeeinsturz. 695
den Hülfsmitteln des gesunden Menschenverstandes und einigen Rechtsgefühls richtig aufge-
faßt werden mußten. Dennoch liegt kein Delikt der Redaktoren vor. Denn jene Amtspflicht
bestand nicht gegenüber dem Publikum, sondern nur gegenüber dem Staat.
b) Eine Ausnahme:s gilt, wenn ein Beamter bei Fällung des Urteils
in einer Rechtssache seine Amtspflichten! verletzt: hier soll ein Delikt nur vor-
liegen, wenn die Pflichtverletzung kriminell strafbar ist (839 II). Doch fällt
diese Ausnahme fort, wenn die Pflichtverletzung in der Verweigerung oder
Verzögerung der Amtsausübung besteht.
2. In gewissen Fällen haftet aus einem Beamtendelikt dem Geschädigten
nicht der Beamte selbst, sondern statt seiner der Amtsverleiher; 20 dieser hat
aber den Rückgriff gegen den schuldigen Beamten. Eingehender soll hierüber
erst in der Lehre von den juristischen Personen gehandelt werden.
3. à) Die Haftpflicht des Beamten oder des Amtsverleihers ist bei Delikten,
die nicht vorsätzlich begangen sind, bloß eine ergänzende, gilt also nur, wenn
der Verletzte nicht auf andre Weise Ersatz zu erlangen vermag (839 1 Satz 2).
b) Die Haftpflicht fällt ganz fort, wenn der Verletzte vorsätzlich oder
fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch ein Rechtsmittel (Klage, Be-
schwerde, Einspruch usw.) abzuwenden (839 III).
c) Wenn ein Vormund seinen Mündel pflichtwidrig schädigt, kann der Vormundschafts-
richter als Mitschuldiger erscheinen, namentlich weil er den Vormund nachlässig ausgesucht
oder beaussichtigt hat. Alsdann haften Vormund und Richter dem Mündel als Gesamt-
schuldner; im Verhältnis zwischen Vormund und Richter gilt aber der erstere als allein-
schuldig; der Richter kann also den Rückgriff gegen den Vormund nehmen, nicht aber der
Vormund gegen den Richter (841). Dies gilt sogar, da das Gesetz nicht unterscheidet, dann,
wenn die Fahrlässigkeit des Richters schlimmer war als die des Vormundes: jener kannte
z. B. den Sachverhalt genau, während der Vormund sein Amt erst eben übernommen hatte. —
Analoge Regeln gelten für das Verhältnis von Sequester, Konkursverwalter, Nachlaßpfleger
und Gericht usw. (841).
IX. 1. Unfälle, die durch den Einsturz eines Gebäudes entstehn,
können auf einem Delikt verschiedenster Art beruhn. In Betracht kommt hier
neben manchen zu einer der drei Hauptgruppen gehörigen Delikten noch ein
wichtiges Sonderdelikt nach Maßgabe der folgenden Regeln.
a) Stürzt ein Gebäude infolge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter
Unterhaltung ein, so gilt es als ein Delikt, wenn durch den Unfall ein
Mensch getötet oder körperlich verletzt oder eine Sache beschädigt wird, es sei
denn, daß sämtliche für das Gebäude verantwortlichen Personen den gleich
zu erwähnenden Entlastungsbeweis erbringen (s. 836, 838). Verantwortlich
für das Gebäude in dem hier gemeinten Sinn ist aber nicht etwa der Bau-
meister, sondern
#) erstens, wer zur Zeit des Einsturzes das Gebäude in seinem Eigen-
besitz gehabt hat (836 I, III);
18) Schneider, Arch. f. ziv. Pr. 91 S. 209: Brie, richterl. Haftung aus Urteilen (06).
19) Siehe RG. 65 S. 176 (Schiedsrichter).
20) R. v. 22. Mai 1910 § 1; RrO. 12 usw.; preuß. Ges. v. 1. Aug. 1909 § 1.