Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 167. Bereich. durch Verfügung Scheinberechtigter. Leistungsannahme gegen Verbot. 707 
hülfsbedürftige Stiefmutter K., der er seine ganze Erziehung verdankt, unterstützt, in der 
irrigen Annahme, er sei rechtlich dazu verpflichtet. Denn wenn schon nicht eine Rechtsregel, 
so doch ein Sittengebot machte ihm diese Unterstützung zur Pflicht. 2. Dasselbe gilt für 
folgenden Fall: Reichsgerichtsrat L. wird von seinen Verwandten und Freunden in der Art 
ausgebeutet, daß sie ihn um eingehende briefliche Auskunft in ihren Rechtsangelegenheiten 
bitten; so hat denn auch M. von L. ein Gutachten über einen Streit mit einem Nachbarn 
erbeten und erhalten und hat darauf in der irrigen Annahme, er sei rechtlich dazu ver- 
pflichtet, dem L. 60 Mk. Honorar geschickt. Denn wenn schon nicht eine Rechtsregel, so doch 
eine Anstandsrücksicht gebot dem M. eine Honorierung des L. IV. Ebensowenig ist eine un- 
gerechtfertigte Bereicherung gegeben, wenn N. dem O. 1000 Mk. mündlich schenkungsweise ver- 
sprochen hat und ihm nun in der irrigen Annahme, daß solch ein Versprechen rechts- 
verbindlich sei, das Geld mit der Post zuschickt, obschon er sein Versprechen lebhaft bereut, 
weil er inzwischen erfahren hat, daß O. ein liederlicher Mensch ist, der das Geld unwürdig 
vergeuden wird. Denn durch die Zusendung des Geldes ist das Schenkungsversprechen des 
N. nachträglich rechtsverbindlich geworden. V. Wenn P. dem Q. 20 Mk. Spielverlust in 
der irrigen Annahme auszahlt, daß er rechtlich dazu verpflichtet sei, so ist Q.# Bereiche- 
rung keine ungerechtfertigte, falls P. die 20 Mk. an O. wirklich verloren hatte. Anders, 
wenn P. die 20 Mk. in Wahrheit an den R. verloren oder wenn er in Wirklichkeit über- 
haupt nicht verloren hatte. 
2. Die ungerechtfertigten Bereicherungen der zweiten Hauptgruppe beruhn 
darauf, daß ein Scheinberechtigter (s. oben S. 56) über ein fremdes Recht 
derart verfügt, daß der wahre Berechtigte die Verfügung gegen sich gelten 
lassen muß; und zwar gehört hierher sowohl die Bereicherung, die der Ver- 
fügende selber durch die Verfügung gewinnt, wie auch, wenn die Verfügung 
unentgeltlich geschah, die Bereicherung des andern, der durch die Verfügung 
rechtlich unmittelbar begünstigt wird (816 1). Der Verfügung des Schein- 
berechtigten steht eine Leistung gleich, die ein Dritter derart an ihn bewirkt, 
daß der wahre Berechtigte sie gegen sich gelten lassen muß (816 U.). 
Beispiele. I. A. hat von B. einen Ring im Wert von 1000 Mk. geschenkt be- 
kommen und ihn an C. für 200 Mk. weiter veräußert; nachträglich stellt sich heraus, daß 
B. minderjährig, sein Geschenk also ungültig war. Hier gilt A. als ungerechtfertigt be- 
reichert. Dagegen ist die Bereicherung des C. nur dann ungerechtfertigt, wenn er den Ring 
unentgeltlich erworben hatte, d. h. wenn ihm bekannt war, daß die von ihm gezahlten 
200 Mk. kein wirkliches Entgelt für den Ring darstellten. II. D. tritt eine ihm gegen E. 
zustehende Forderung zuerst an den F. und dann an den G. ab; E. erfüllt die Forderung 
gutgläubig an G. Hier gilt G., mag er gleichfalls gutgläubig gewesen sein oder nicht, als 
ungerechtfertigt bereichert. 
3. Die ungerechtfertigten Bereicherungen der dritten Hauptgruppe beruhn 
darauf, daß jemand eine Leistung empfängt, durch deren Annahme er um des 
Zwecks der Leistung willen gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten 
Sitten verstößt, während dem Leistenden selber ein solcher Verstoß nicht zur 
Last fällt (f. 817).5 
Beispiele. I. Rechtsanwalt A. fordert von seinem Klienten B. das Dreifache der ihm 
zustehenden Gebühren; B. zahlt sie auch, obschon er die Unrichtigkeit der Liquidation sofort 
erkennt, um des Friedens willen; später hört er, daß A. wegen Uberhebung von Gebühren 
bereits bestraft sei, und verlangt nun die zuviel gezahlten / zurück. Hier ist B. im Recht, 
zwar nicht nach den für Gruppe 1, wohl aber nach den für Gruppe 3 geltenden Regeln. 
II. C. hat ein Mädchen dem D. verkuppelt und erhält von D. den versprochenen Kuppel- 
9) R. 58 S. 206, 67 S. 324, 72 S. 48. 
45
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.