§ 169a. Alteres Recht: Delikte, ungerechtfertigte Bereicherung. 721
XVI. Nach bisherigem Recht war eine Rückforderung (condictio indebiti)
dessen, was zur Erfüllung einer Nichtschuld geleistet wurde, nur statthaft,
wenn dem Leistenden das Nichtvorhandensein der Schuld nachweislich unbekannt
gewesen war.. Daß der Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung erweitert wird, wenn der in Anspruch genommene Schuldner seine
Bereicherung unentgeltlich erworben hat, war im bisherigen Recht nur für
einige wenige Fälle anerkannt.“7
Zusatz zu § 120a ff.
Für die einzelnen Arten der Forderungsrechte gelten zum Teil besondre Kollisions=
normen und Ülbergangsvorschriften, die von den oben S. 477 ff. entwickelten allgemeinen Regeln
abweichen. Erwähnt sei nur das Folgende.
I. Für die Geschäftsbesorgung ohne Auftrag ist maßgebend das Recht des Orts, wo
die Geschäftsbesorgung stattgefunden hat, jedoch mit der Beschränkung, daß der Geschäfts-
führer keine größeren Ansprüche geltend machen kann, als das Personalstatut des Geschäfts-
herrn zuläßt.! — Beispiel: A. in Wien will eine ihm gegen B. in München angeblich zu-
stehende Forderung beitreiben; da B. gerade abwesend ist, greift sein Wiener Freund C.
ein und zahlt dem A. für B.s Rechnung den geforderten Betrag. Hier bestimmen sich die
Geschäftsführerpflichten C.s nur nach österreichischem, seine Geschäftsführeransprüche sowohl
nach österreichischem wie nach deutschem Recht.
II. 1. a) Für die Delikte ist maßgebend das Recht des Orts, wo das Delikt vor sich
geht, jedoch mit der Beschränkung (EG. 12), daß, wenn nach dieser Regel irgendein Aus-
landsrecht zur Anwendung kommt, gegen einen Deutschen nicht weitergehende Ansprüche
geltend gemacht werden dürfen, als nach deutschem Recht begründet sind. — Beispiel. Der
deutsche Staatsangehörige A. hat sich in Paris als Fabrikant niedergelassen; einer seiner
Angestellten B. schädigt dort bei Ausführung der ihm aufgetragenen Verrichtungen den C.;
C. verklagt, nachdem A. sein Geschäft aufgegeben und sich in Eisenach niedergelassen, ihn bei
dem Eisenacher Gericht auf Schadensersatz. Hier kann C. nur solche Ansprüche durchsetzen,
die sowohl nach französischem wie nach deutschem Recht begründet sind; demnach ist die
Haftung des A. für seinen Gehülfen B. — obschon sich der Vorfall doch ganz und gar im
französischen Rechtsgebiet abgespielt hat — nicht nach der strengen Regel von c. c. 1384,
sondern nach der milden Regel von BGB. 831 zu beurteilen; das Eisenacher Gericht muß
also die Klage des C. abweisen, wenn A. sich für seine Person „xkulpieren“ kann.
b) Erstreckt sich der deliktische Vorgang auf mehrere Orte verschiedenen Rechts, so kommt
auf jeden Teilvorgang das Recht seines Orts zur Anwendung.? — Beispiele. I. A., der
minderjährige Sohn des B. in Aachen, wildert auf belgischem Gebiet hart an der nieder-
ländischen Grenze; durch einen Schuß über die Grenze verwundet er den auf niederländischem
Boden befindlichen C. Hier sind Ansprüche des C. gegen den B. nur begründet, wenn sie
sowohl das deutsche wie das belgische wie endlich das niederländische Recht billigt; denn das
angebliche Delikt des B. besteht darin, daß A. in Belgien einen Schuß abgegeben, daß dieser
Schuß in den Niederlanden den C. getroffen und daß B. in Deutschland seine väterliche
Aussichtspflicht vernachlässigt hat. II. D. hat in der Frankfurter Zeitung ein Inserat ver-
öffentlicht, durch das sich der Champagnerfabrikant E. in Rheims beleidigt fühlt. Hier sind
Ansprüche des E. gegen D. nur begründet, wenn sie vom deutschen Recht gebilligt werden;
denn das angebliche Delikt des D. besteht darin, daß er das Inserat in Deutschland der
Zeitung übergeben und diese es in Deutschland, Frankreich und anderswo verbreitet hat.
Dasselbe gilt für die Ansprüche des E. gegen den Redakteur F. oder den Verleger G. der
Zeitung; denn auch deren angebliches Delikt ist wenigstens zu einem Teil in Deutschland
56) Dernb. 2 8 141 4; Eccius 2 § 150 °%.
57) Hauptbeispiel: alte KonkOrdn. von 1877 88 25, 30 Absf. 2.
1) Vgl. Zitelmann 2 S. 527.
2) RG. 54 S. 205. Vgl. Zitelmann 2 S. 478.
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. I. 46