Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

60 Buch I. Abschnitt 2. Die Rechte. 
der Eintritt der Rechtswirkung nur erfolgt, wenn und weil der Berechtigte 
es will. 
b) Oder es tritt die Rechtswirkung ohne eine Erklärung des Berechtigten, 
also vielleicht ohne oder gar gegen seinen Willen ein. 
3. Stellt man die „Ansprüche“ (1) und die beiden eben genannten Haupt- 
arten der „nicht anspruchsartigen“ Rechtsbestandteile (II, 2 a und b) einander 
übersichtlich gegenüber, so kann man sie charakterisieren wie folgt: 
a) Kraft einer ersten Gruppe von Rechtsbestandteilen (I) kann der Be- 
rechtigte „beanspruchen“, daß eine andre Person das tut, was Rechtens ist. 
b) Kraft einer zweiten Gruppe von Rechtsbestandteilen (II, 2 a) kann 
der Berechtigte durch eine Erklärung seinerseits „bestimmen“, was von nun ab 
Rechtens ist, oder auch rückwirkend, was von einem früheren Zeitpunkt ab 
Rechtens war. 
I) Kraft einer dritten Gruppe von Rechtsbestandteilen (II, 2 b) kann der 
Berechtigte darauf „vertrauen", daß auch ohne eine Erklärung seinerseits das, 
was künftig Rechtens werden soll, auch Rechtens werden kann oder Rechtens 
werden wird. 
4. Hieraus ergeben sich als Namen der Rechtsbestandteile, 
der Gruppe 3 a der Ausdruck Anspruchsmacht, 
der Gruppe 3 b der Ausdruck Bestimmungsmacht,: 
der Gruppe 3c der Ausdruck Vertrauensmacht. 
5. Andre oft gebrauchte Ausdrücke sind: für Gruppe 3 a Herrschaftsrechte 
oder Rechte des Sollens, für Gruppe 3b Gestaltungsrechte oder Rechte des 
Könnens, für Gruppe 36 Erwerbsrechte oder Rechte des Dürfens.3 
Beispiele. I. Die A. hat sich als Amme für das Kind B.s verdungen, indem sie sich 
für kerngesund ausgab, während sie wußte, daß sie an einer schweren ansteckenden Krankheit 
litt. Hier kann B., wenn er den Sachverhalt erfährt, der A. sofort kündigen (626) oder den 
mit ihr abgeschlossenen Vertrag ansechten (123). Beides ist „Bestimmungsmacht“. 1. Durch 
die Kündigung bestimmt B., daß er von nun ab nicht mehr verpflichtet sei, der A. Lohn 
und Unterhalt zu geben. 2. Durch die Anfechtung bestimmt B. rückwirkend, daß er auch 
schon vorher nicht verpflichtet gewesen sei, der A. Lohn und Unterhalt zu geben. II. C. hat 
als Pächter eines Guts das Recht, daß alle Gutsfrüchte, sobald sie mit oder ohne seinen 
Willen vom Grund und Boden getrennt werden, sofort in sein Eigentum übergehn (956). 
Das ist „Vertrauensmacht“: C. kann sich schon jetzt darauf verlassen, daß sein Eigentums- 
erwerb an den Früchten im Augenblick der Trennung eintreten wird, ohne daß er dies erst 
erklären muß. x 
III. Die Bestimmungemacht, von der zu II die Rede war, ist nicht selten 
dadurch abgeschwächt, daß der Berechtigte die Bestimmung, auf die sein Recht 
abzielt, nicht allein, sondern nur unter Mitwirkung einer andern Privatperson 
oder unter Mitwirkung einer Behörde treffen kann. Aber auch in dieser 
2) Sohm, Gegenstand (05) S. 11“. 
3) Seckel, Gestaltungsrechte (03) S. 208, 210; Zitelmann, Grundr. S. 22; Hellwig, 
Zivilprozeßrecht 1 (0O3) S. 232; Enneccerus 1 S. 89.
	        
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