§ 17. Anspruchs-, Bestimmungs-, Vertrauensmacht. Macht über Sachen. 61
Abschwächung ist und bleibt sie eine „Macht“ des Berechtigten und ist als
solche ein oft überaus wichtiger Bestandteil seines Rechts.=
Beispiele. I. A. hat seine Uhr bei B. für 20 Mk. versetzt; hierzu ist er als Eigen-
tümer der Uhr wohl befugt. Diese Befugnis ist „Bestimmungsmacht“: A. bestimmt rechts-
gültig, daß von nun ab B. ein Pfandrecht an der Uhr hat. Freilich ist A.s Bestimmung
nur wirksam, wenn B. ihr beitritt (1205). Daraus folgt aber nicht, daß die Bestimmungs-
macht As ganz fehlt, sondern nur, daß sie eine bedingte oder beschränkte ist. II. In der-
selben Art ist die Befugnis des Inhabers einer Wegegerechtigkeit C., auf sein Recht Ver-
zicht zu leisten, Bestimmungsmacht, obschon C. zu seiner Bestimmung der Mitwirkung des
Grundbuchamts bedarf (875).
IV. 1. Die drei oben zu III bestimmten Gruppen von Rechtsbestandteilen
geben den Inhalt der subjektiven Rechte — wenigstens insoweit als er privat-
rechtlicher Natur ist und nicht etwa in öffentlich-rechtlichen Befugnissen besteht
— erschöpfend wieder. Insbesondere wäre es falsch, unsern drei Gruppen als
vierte eine dem Berechtigten zustehende Macht über Sachen zur Seite zu
stellen. Denn wo sich auch immer eine derartige Macht als Bestandteil eines
subjektiven Rechts findet, läßt sie sich restlos in eine Anspruchs-, eine Be-
stimmungs-, oder eine Vertrauensmacht zerlegen; sie ist also selber kein neuer
Rechtsbestandteil, sondern nur eine besondere Kombination solcher Rechtsbe-
standteile.
2. Nichtsdestoweniger ist es allgemeiner Sprachgebrauch, bei gewissen
Arten von Rechten, vor allem beim Eigentum, dem Berechtigten eine Macht
über eine Sache zuzuschreiben. Auch wir wollen uns im folgenden diesem
Sprachgebrauch anschließen. Denn er ist, wenn schon ungenau, so doch un-
schädlich, sobald man sich nur stets vor Augen hält, daß die angebliche Macht
über eine Sache bei genauer Analyse sich stets auf eine Anspruchs-, eine
Bestimmungs= oder eine Vertrauensmacht zurückführen läßt.
Beispiel. Jemand hat ein Pferd zu Eigentum erworben und erfreut sich an dem un-
gestörten Besitz des Tieres. I. Hier hat er rechtlich eine doppelte Macht. 1. Einmal kann er
auf Grund seines Eigentums das Pferd veräußern, verpfänden, derelinquieren; das ist „Be-
stimmungsmacht“. 2. Sodann kann er sich darauf verlassen, daß, wenn in Zukunft irgend
jemand seine Beziehungen zu dem Pferde unbefugtermaßen stören sollte oder wenn eine
solche Störung auch nur zu besorgen wäre, ihm auf Grund seines Eigentums alsbald ein
Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung der Störung zufallen würde; das ist „Ver-
trauensmacht“. II. Kommt es später dazu, daß jemand seine Beziehungen zu dem Pferde
wirklich stört oder eine solche Störung wirklich zu besorgen ist, so erwirbt er zu der Be-
stimmungs= und Vertrauens= nunmehr noch eine „Anspruchsmacht“ gegen den, von dem die
Störung ausging oder zu besorgen ist, hinzu, gerichtet auf die Beseitigung oder die Unter-
lassung der Störung. III. Eine andre Art von Rechtsmacht als die dreifache, zu I und II
analysierte hat er nicht. Namentlich darf man nicht von einer besondern Rechtsmacht
des Eigentümers, das Pferd zu benutzen, sprechen. Denn diese Rechtsmacht hat einen
juristischen Sinn nur, wenn man sich irgendeine andre Person hinzudenkt, die ihn an der
Benutung des Pferdes hindert oder zu hindern sucht oder zu hindern droht; alsdann ist
diese Rechtsmacht aber, wie wir sahen, falls die Hinderung nur als möglich angenommen
wird, „Vertrauens.“, falls sie wirklich vorgenommen ist oder wirklich bevorsteht, „Anspruchs-
macht“. Dagegen hat jene Rechtsmacht schlechterdings keine juristische Bedeutung, sobald
4) Siehe hierüber Seckel a. a. O. S. 239.