Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 21. Einreden. 69 
langte, ohne daß es darauf ankam, ob J. sich in bedrängter Lage befand oder nicht (771); 
und hätte er dies Verlangen erhoben, so wäre H.# Klage auch in Ansehung der schriftlich über- 
nommenen Bürgschaft unbegründet gewesen. G. hat aber das Verlangen tatsächlich nicht 
erhoben; er hat die ihm vom Gesetz zugebilligte „Einrede der Vorausklage“ nicht geltend ge- 
macht. Das Gericht war deshalb gar nicht in der Lage, auf die Einrede Rücksicht zu nehmen. 
2. K. hat von L. durch notariellen Vertrag ein Haus gekauft, ist aber gestorben, ehe der 
Bertrag erfüllt ist; als L. von M., dem Erben K.s, die Zahlung des Kaufpreises Zug um 
Zug gegen die Auflassung und Übergabe des Hauses fordert, lehnt K. dies ab, indem er die 
Einrede erhebt, K.s Nachlaß sei überschuldet und der Aktivbestand so gering, daß er nicht 
einmal die Kosten des Nachlaßkonkurses decken würde (1990); nachträglich vereinbart er aber 
mit L., daß er auf diese Einrede verzichte. Hier ist letzterer Vertrag nicht etwa als Erneuerung 
des Kaufvertrags anzusehn und deshalb der notariellen Beurkundung nicht bedürftig. 
IV. Rüchblick auf das bisherige Recht. 
8 22. 
Eine allgemeine Theorie der subjektiven Rechte ist bei uns erst seit der 
Rezeption des römischen Rechts ausgebildet. Insbesondre gewann die deutsche 
Jurisprudenz erst aus den römischen Quellen die deutliche Erkenntnis, daß 
vom subjektiven Recht (jus) die „actio“ — ein Begriff, der sich ungefähr mit 
dem deckt, was wir jetzt nach Windscheids Vorgang „Anspruch“ nennen — zu 
unterscheiden sei; sie entnahm den römischen Quellen die Einteilung der Aktionen 
in actiones in personam und in rem und knüpfte daran eine Einteilung der 
Rechte in persönliche und dingliche Rechte; sie machte in römischer Art einen 
Unterschied zwischen dem Untergang eines Rechts schlechthin und der Entkräftung 
des Rechts durch eine Einrede (ope exceptionis) usw. Später ist die deutsche 
Jurisprudenz über solchen sich eng an (wirkliches oder angebliches) römisches 
Recht anschließenden Dogmatismus hinausgegangen, zuerst namentlich in der 
Periode des Naturrechts, dann aber mit größerer Vorsicht und Umsicht auch 
wieder in neuester Zeit. Sie sah langsam ein, daß manche Institute des alt- 
einheimischen und des in der Entstehung begriffenen modernen Rechts sich in 
das Schema „entweder persönliches oder dingliches Recht"“ nicht einfügen ließen, 
sondern daß es Rechte, die sowohl persönlich wie dinglich, und Rechte, die 
weder persönlich noch dinglich sind, gibt. Sie wurde sich darüber klar, daß 
in den Rechten außer den Ansprüchen noch andre Bestandteile, insbesondre das, 
was wir oben Bestimmungsmacht genannt haben, stecken usw.
	        
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