Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 23. Person. Rechtsfähigkeit. Vermögen. 73 
III. 1. Alle Vermögensrechte, die einer und derselben Person zustehn, 
sind wegen dieser Identität des Rechtsinhabers zu einem Rechtskomplex ver- 
schmolzen, den man Vermögen nennt. Das Vermögen bildet rechtlich eine 
Einheit, die namentlich durch folgende zwei Regeln ausgezeichnet ist. 
a) Das Vermögen kann als Einheit im Wege der Gesamtrechtsnachfolge 
auf einen andern Inhaber übergehn. 
b) Das Vermögen kann als Einheit im Wege des „Konkurses“ zugunsten 
der Gläubiger des Inhabers mit Beschlag belegt werden. 5 
2. In zahlreichen Fällen wird das Vermögen einer Person in bestimmte 
Teile zerlegt und nicht bloß das Vermögen als Ganzes, sondern auch jeder 
dieser Teile rechtlich als eine Einheit behandelt. Derartige kleinere Einheiten 
nennt man Sondervermögen oder Sondergut (peculium). Allgemein- 
gültige Regeln gibt es für sie nicht: dazu sind sie zu verschieden voneinander. 
Insbesondre gibt es eine Gesamtrechtsnachfolge und eine Gesamtbeschlagnahme 
nur bei einigen dieser Sondervermögen, nicht bei allen. 
Beispiele. I. Wenn A. den B. beerbt, gehört ihm fortab außer seinem eignen bis- 
herigen Vermögen und dem, was er später dazu erwirbt, — wir wollen beides als das 
„Privatvermögen“ A.s bezeichnen — auch der Nachlaß des B. Hier bilden fortab das 
Privatwermögen A.8 und der Nachlaß B.s um der Identität ihres jetzigen Rechtsinhabers 
willen ein einziges Vermögen: wenn A. stirbt und von C. beerbt wird, geht dieses ganze 
Vermögen, falls nicht etwa B. für seinen Nachlaß einen Nacherben bestellt hat, durch Ge- 
samtrechtsnachfolge auf C. über; wenn A. zahlungsunfähig ist, kann dieses ganze Ver- 
mögen Gegenstand einer Gesamtbeschlagnahme, Gegenstand eines einzigen Konkurses sein. 
Innerhalb des Vermögens des A. stellen aber sowohl das Privatvermögen A. wie der 
Nachlaß B.s ein Sondervermögen dar. Denn trot ihrer Zugehörigkeit zu einem einzigen Ver- 
mögen werden beide rechtlich als Einheiten behandelt: wenn A. stirbt und von C. beerbt 
wird, während B. für seinen Nachlaß den D. als Nacherben berufen hat, geht nur das 
Privatvermögen A.3 durch Gesamtrechtsnachfolge auf C. über, während der Nachlaß B.S 
durch eine besondre Gesamtrechtsnachfolge dem D. zufällt (2139); wenn der Nachlaß B.s 
überschuldet ist, kann er Gegenstand einer getrennten Gesamtbeschlagnahme, eines besondern 
Konkurses sein (Konk.-Ordn. 214). II. Wenn die E. den F. heiratet und ihre Wertpapiere in 
die Ehe „einbringt“, während sie ihr Landgut zum „Vorbehaltsgut“ erklären läßt, bilden 
Wertpapiere und Landgut, weil sie beide nach wie vor der E. gehören, um der Identität des 
Rechisinhabers willen ein einziges Vermögen: stirbt Frau E., so findet eine einzige Gesamt- 
rechtsnachfolge in Wertpapiere und Landgut, wird sie zahlungsunfähig, so findet eine einzige 
Gesamtbeschlagnahme von beiden statt. Innerhalb des Vermögens der E. stellen aber sowohl 
die Wertpapiere wie das Landgut ein Sondervermögen dar. Denn beide werden trot ihrer 
Zugehörigkeit zu einem einzigen Vermögen rechtlich als Einheiten behandelt; freilich gibt 
es keine Gesamtrechtsnachfolge in eins dieser Sondervermögen; auch kann keins getrennt für 
sich Gegenstand einer Gesamtbeschlagnahme sein; wohl aber zeigt sich die Trennung der 
beiden Sondervermögen z. B. darin wirksam, daß gewisse Gläubiger der Frau E. sich, so- 
lange ihre Ehe dauert, nur an ihr Landgut, nicht an ihre Wertpapiere halten können 
(1412 flg.). 
Wenn das Vermögen einer Person in mehrere Sondervermögen geteilt ist, werden leicht 
Zweifel über deren Abgrenzung entstehn. Insbesondre wird bei jedem neuen Erwerbe, den 
der Vermögensinhaber macht, die Frage auftauchen, welchem der verschiedenen Sonder- 
vermögen er zuzuteilen sei. Doch gibt es auch in dieser Beziehung keine allgemeingültigen 
Regeln. Wenn z. B. ein Vorerbe Wertpapiere, die zum Nachlaß gehören, verkauft und von 
0 Siehe unten zu IV, 145.
	        
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