Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 23. Rechtsnachfolge. Ursprünglicher Rechtserwerb. 77 
hat sein Eigentum durchaus nicht von dem des A. „abgeleitet“; er hat sein Eigentum nicht 
gewonnen, „weil“, sondern „obschon“ A. Eigentümer war. 10 2. Ebensowenig liegt eine echte 
Rechtsnachfolge gegenüber dem Scheineigentümer B. vor; denn dem B. stand ja ein echtes 
Recht, von dem C. sein Eigentum hätte ableiten können, überhaupt nicht zu. 3. Vielmehr 
haben wir es hier mit einer Scheinrechtsnachfolge des C. gegenüber dem B. zu tun. Und 
zwar wirkt sie scheinbar rechtsübertragend; denn in demselben Augenblick, in dem C. sein 
Eigentum gewann, hat nicht bloß A. sein bisheriges wahres Eigentum, sondern, worauf es 
hier gerade ankommt, auch B. sein Scheineigentum verloren. II. Derselbe Fall; nur hat 
B., gestützt auf sein Scheineigentum, nicht das Haus dem C. übereignet, sondern ihm eine 
Hypothek an dem Hause bestellt. Hier liegt wie zu 1 auf seiten C.s eine Scheinrechtsnach- 
folge gegenüber B. vor; und zwar wirkt sie hier scheinbar rechtsbegründend. 
c) Das Recht kann dem Inhaber drittens in der Art zugewendet werden, 
daß es weder von einem bereits vorhandenen echten Recht noch von einem vor- 
handenen Scheinrecht abgeleitet wird. Einen derartigen Rechtserwerb nennt 
man ursprünglich (originär). 
Beispiele. I. Ein ursprünglicher Erwerb ist es, wenn A. sich von B. schenkungsweise 
1000 Mk. versprechen läßt. Denn hier fehlt ein Ursprungsrecht, von dem die Forderung 
des A. auf die 1000 Mk. abgeleitet werden könnte, vollständig. II. Dasselbe ist der Fall, 
wenn C. eine herrenlose Sache in Besitz nimmt und sich damit aneignet (958). So selbst dann, 
wenn die Sache vormals dem D. gehörte und nur dadurch herrenlos geworden ist, daß D. 
sie fortgeworfen hat (959); denn auch in diesem Fall hat C. sein Eigentum an der Sache 
nicht von dem vormaligen Eigentum des D. „abgeleitet“: war doch, als C. sein Eigentum 
erwarb, das Eigentum des D. bereits erloschen. 
2.à) Charakteristisch für alle durch echte oder scheinbare Rechtsnachfolge 
erworbene Rechte ist, daß sie nach Bestand, Umfang und Inhalt notwendig 
von dem echten oder scheinbaren Ursprungsrecht abhängig sind, dem sie ent- 
stammen. 
b) Anders die ursprünglich erworbenen Rechte. Freilich kommt es auch 
bei ihnen vor, daß sie von irgend einem älteren Recht abhängig sind. Diese 
Abhängigkeit ist aber bei ihnen keineswegs allgemeingültig. 
Beispiele. I. 1. A. hat laut Testament des B. von dessen Erben C. eine lebensläng- 
liche Jahresrente von 10000 Mk. zu fordern; nun kommt er aber durch eine reiche Heirat in 
eine sehr günstige Vermögenslage und tritt deshalb das Rentenrecht an seinen in dürftigen 
Verhältnissen lebenden jüngeren Bruder D. auf dessen Lebenszeit ab. Hier erlangt D. sein 
Rentenrecht durch rechtsübertragende Rechtsnachfolge. Daraus ergibt sich, daß die Dauer 
des Rentenrechts des D. keine längere sein kann als die des Rentenrechts des A. Das will 
besagen: das Rentenrecht des D. erlischt nicht bloß, wenn er selber, sondern auch dann, wenn 
A. stirbt. 2. Derselbe Fall wie zu 1; nur hat A. sein Rentenrecht nicht dem D. abgetreten, 
sondern ihm bloß den lebenslänglichen Nießbrauch daran bestellt. Hier erlangt D. seinen 
Rentennießbrauch durch rechtsbegründende Rechtsnachfolge. Daraus ergibt sich, daß die Dauer 
des Rentennießbrauchs des D. gleichfalls keine längere sein kann als die des Rentenrechts 
des A. Das will besagen: der Rentennießbrauch des D. erlischt, gerade so wie sein Renten- 
recht im Fall 1, nicht bloß, wenn er selbst, sondern auch dann, wenn A. stirbt. 3. Derselbe 
Fall wie zu 1; nur hat A. sein Rentenrecht nicht auf D. übertragen, sondern ganz darauf 
verzichtet; dafür hat aber der Rentenschuldner C. sich durch einen selbständigen Vertrag ver- 
pflichten müssen, dem D. eine lebenslängliche Rente von 10000 Mk. zu zahlen. Hier hat 
D. sein Rentenrecht ursprünglich erworben. Daraus ergibt sich, daß die Dauer des Renten- 
rechts des D. von der Dauer des Rentenrechts des A. durchaus nicht abhängt. Das will 
10) Romeick, Rechtsnachfolge (C4) S. 30. Abw. Hellwig, Rechtskraft (01) S. 101.
	        
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