Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 191. Abholung aus fremden Grundstücken. 8 192. Selbsthülfe. 87 
I. Die Voraussetzungen der Selbsthülfe sind folgendergestalt bestimmt. 
1. Die Person, die wegen einer Sache zur Selbsthülfe schreitet, muß ent- 
weder im Besitz der Sache gewesen und der Besitz ihr durch verbotene Eigen- 
nacht entzogen sein oder sie muß sich noch gegenwärtig im Besitz der Sache 
befinden, aber durch verbotene Eigenmacht in diesem Besitz gestört werden; es 
ist demgemäß die Selbsthülfe wegen Besitzentziehung und die Selbsthülfe wegen 
Besitztörung zu unterscheiden. Der Begriff der verbotenen Eigenmacht ist 
der nämliche wie bei den kurzfristigen Besitzansprüchen (s. oben S. 74, 75). 
Beispiele s. S. 74, 75. 
2 a) Die Person, gegen die wegen Besitzentziehung Selbsthülfe geübt 
vird, muß sich zurzeit im Besitz der Sache befinden, und ihr Besitz muß 
##genüber dem die Selbsthülfe übenden Besitzer ein „fehlerhafter“ in dem früher 
ssgestellten Sinn sein (859, s. oben S. 75). 
Beispiel. Die Lohndirne A. hat dem B. ein Zwanzigmarkstück gestohlen und liefert 
e alsbald ihrem Zuhälter C. mit der Erklärung ab, sie hätte das Geldstück „verdient“; C. 
scenkt dieser Erklärung auch Glauben, obschon er sich bei einiger üÜberlegung hätte sagen 
müssen, daß die A. ihn belog; nun trifft B., der die A. „auf frischer Tat“ verfolgt hatte, 
bel C ein. Hier darf B. keine Besitzselbsthülfe üben; nicht gegen die A., weil diese das 
Gel nicht mehr hat; nicht gegen C., weil dieser es nicht fehlerhaft besitzt. 
b) Die Person, gegen die wegen Besitzstörung Selbsthülfe geübt wird, 
muß Urheber der Störung sein (s. 859 1). 
3. a) Im Fall der Besitzentziehung ist die Selbsthülfe nur statt- 
bost: bei Grundstücken sofort nach der Tat, bei Fahrnis so lange, als der 
Gegner auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird (859 II, III). 
Beispiele. I. 1. A. nimmt dem auf einer Reise befindlichen B. eigenmächtig ein Feld 
sort und zäunt es ein; erst drei Wochen später kann B. hiervon benachrichtigt werden; un- 
verzüglich kehrt er zurück und sucht das Feld dem A. gewaltsam wieder abzunehmen. Hier 
K B. im Unrecht. Denn das Gesetz gestattet ihm nicht die „unverzügliche“, sondern nur 
die sofortige“ Selbsthülfe. 2. Bei der Entscheidung zu 1 ist aber natürlich vorausgesetzt, 
Aab A. durch die Fortnahme und Umzäunung den Besitz des Feldes erlangt und damit zu- 
gleich den B. aus dem Besitz verdrängt hat. Läßt sich dagegen annehmen, daß A. die Ver- 
drüngung des B. erst begonnen hat und B. zurzeit sich noch im Besitz des Feldes befindet 
(. oben S. 68 Abs. 1, S. 73 1. Abs.), so ist dem B. die Selbsthülfe gegen A. nicht zu ver- 
sagen. Denn alsdann liegt auf seiten des A. eine bloße Besitzstörung gegen B. vor, und 
biese kann B. gewaltsam abwehren, solange sie von A. fortgesetzt wird, d. h. so lange, bis 
A. den Zaun nicht freiwillig fortnimmt und das Feld nicht freiwillig räumt. II. C. hat 
bei D. verschiedene Sachen gestohlen und sie sofort teils dem Hehler E., teils dem Hehler 
F. zur einstweiligen Verwahrung überbracht; D. hat den C. auf frischer Tat verfolgt, trifft 
aber bei E. erst ein, als C. gerade von ihm gegangen ist, um sich zu F. zu begeben; damit 
die Spur des C. verloren; erst tags darauf findet D. sie wieder und kann sie bis zu F. 
dersolgen. Hier darf D. die ihm gestohlenen von E. verwahrten Sachen diesem durch Besitz- 
selbsthülfe gewaltsam sortnehmen. Dagegen bestimmt sich die Frage, ob er auch gegen F. 
Gewalt anwenden darf, nach den Regeln des allgemeinen Notangriffsrechts. 
b5) Im Fallder Besitzstörung ist die Selbsthülfe nur so lange statthaft, als 
die Störung noch im Werk ist (s. 859 D. 
Si#he das Beispiel I, 2 oben bei Za.
	        
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