§8 193k. Inhabung. Besitzdienerschaft. 103
anders aus, so gelangt man mit derselben logischen Notwendigkeit zu der entgegengesetzten
Norm. Wie es scheint, ist das Reichsgericht sich über diese Rechtslage noch nicht völlig klar
geworden; andernfalls würde es in seinen Entscheidungen seine Auslegung des Worts „ab-
handen kommen“ — die übrigens im Ergebnis mit der unsfrigen übereinstimmt — etwas
ausgiebiger begründet haben.“
d4) Gegen eine eigenmächtige Entziehung oder Störung seiner Inhabung
darf der Inhaber nicht aus eignem Recht zur Selbsthülfe greifen. Dagegen
ist er ermächtigt, die Selbsthülfe für den von ihm vertretenen unmittelbaren
Besitzer auszuüben (s. 860).
Beispiel. Wenn in dem oben S. 99 zu 1 a genannten zweiten Fall der Arzt B. mit
dem Kutscher C. in Streit gerät, kann entweder B. den C. gewaltsam vom Bock oder C. den
B. gewaltsam aus der Kutsche entfernen. Ersteres trifft zu, wenn B.,letzteres trifft zu,
wenn C. oder dessen Fuhrherr, bei dem C. angestellt war, Besitzer des Wagens ist.
3. Wie die Inhabung verloren geht, ist Tatfrage. Ihr Verlust hat den
Verlust des ihr übergeordneten unmittelbaren Besitzes nicht notwendig zur
Folge.
Beispiel. Wenn A. seines Herrn B. Hund ausführt und der Hund ihm davonläuft,
so geht A.s Inhabung verloren; B.s Besitz kann dagegen fortbestehn, namentlich wenn der
Hund selbst zu B. zurückläuft.
BgI. übrigens mit letzterer Regel unfre Vemerkung oben S. 98 Abs. 3
Anhang. Rückblick auf das bisherige Recht.
§ 194.
I. 1. Der Begriff des Besitzes ist uralt: was die alten Quellen Gewere
oder vestitura und was wir heutzutage Besitz nennen, ist im wesentlichen
derselbe Begriff. Das nämliche gilt von der römischen possessio, die seit
der Rezeption an die Stelle der Gewere getreten ist: sie steht von dem
modernen Besitz zwar weiter ab als die Gewere; doch handelt es sich dabei
nur um Verschiedenheit im Detail.
2. Dem älteren deutschen Recht war neben dem Sach= auch der vom
bürgerlichen Gesetzbuch verworfene Rechtsbesitz wohlbekannt. Dabei verblieb
es auch nach der Rezeption, da die Römer gleichfalls nicht bloß von einer
arei“, sondern auch von einer „uris“ possessio sprechen. Ebenso haben alle
neueren Gesetzbücher an dem Rechtsbesitz festgehalten.
3. Das ältere deutsche Recht unterschied in grundsätzlicher Überein-
stimmung mit dem bürgerlichen Gesetzbuch den mittelbaren vom unmittelbaren
Besitz sowie den Fremdbesitz und die Inhabung vom Eigenbesitz. Seit der
3) Siehe RG. 71 S. 254.
1) Siehe Gierke, Fahrnisbesitz S. 2; Hübner, S. 179, 391.
9 Stobbe-Lehmann II, 1 S. 204, 230; Windscheid-Kipp 8 163.
3) Gierke, Fahrnisbesitz S. 6.